Ist PCV2 ein "neues" Virus in der Schweinepopulation?
Aufgrund der Tatsache, dass es 1998 erstmals gelang PCV2 nachzuweisen, wissen wir, dass das Circovirus der Grund für die klinischen Ausbrüche von Circovirus-bedingten Erkrankungen ab 1991 ist. Diese Ausbrüche manifestierten sich hauptsächlich in einer schlechten Wachstumsrate während der Aufzucht und einer gesteigerten Mortalität am Ende der Absetzphase und zu Beginn der Mastperiode. Diesem Krankheitsbild gab man den Namen postweaning multisystemic wasting syndrome oder PMWS (neuerdings wird empfohlen, dieses Syndrom PCV2 systemic disease (=systemische Krankheit) oder abgekürzt PCV2-SD zu nennen). Die größten seuchenartigen Ausbrüche fanden in Europa und Asien zwischen 1998 und 2004 statt, während sie auf dem amerikanischen Kontinent zwischen 2004 und 2007 erfolgten. Dennoch wurde durch retrospektive Untersuchungen PCV2 in infizierten Tieren seit mindestens dem Jahr 1962 und von Tieren mit PCV2-SD seit mindestens dem Jahr 1985 nachgewiesen.
Ist PCV2 ein häufiges Virus?
Seit der ersten Erwähnung von PCV2 im Jahr 1998 konnte gezeigt werden, dass das Virus in allen Ländern, in denen der diagnostische Nachweis versucht wurde, auch gefunden werden. Dies verdeutlicht, dass es sich um ein weltweit vorkommendes, ubiquitäres Virus handelt. Fast 100% der kommerziellen Betriebe sind mit PCV2 infiziert und fast alle Schweine sind am Ende der Mastperiode PCV2-seropositiv. Die weltweite Verteilung der PCV2-SD ist in Grafik 1 dargestellt.
Grafik 1. Länder, in denen PCV2-SD diagnostiziert wurde (gelb markiert).
Wie wird PCV2 übertragen?
Die mit PCV2 infizierten Tiere scheiden das Virus über alle untersuchten Exkretionswege aus. Außerdem wurde das Virus in der Nasenhöhle, in der Maulhöhle, auf den Tonsillen, im Bronchialschleim, Speichel, Augensekret, Kot, Urin, Milch und Sperma gefunden. Die Hauptübertragung findet vornehmlich oronasal statt, obwohl PCV2 auch eine hohe Tenazität in der Umgebung hat und sogar eine Luftübertragung möglich ist.
Im Bestand sind es die Sauen, die die Infektion aufrechterhalten und auf die Ferkel übertragen. Das geschieht in der Regel horizontal während der Laktation, aber auch eine vertikale Übertragung wurde bei dieser Tiergruppe beschrieben.
Informationen über die Infektionsdynamiken von PCV2 innerhalb eines Betriebes liefert ein bereits auf dieser Internetseite publizierter Artikel: Auswirkung der Virämie durch das Porzine Circovirus Typ 2 (PCV2) auf die Produktionsparameter.
Die potentielle Infektionsfähigkeit von Sperma wurde nur unter experimentellen Bedingungen gezeigt, indem man Ferkeln infiziertes Sperma intraperitoneal übertrug. PCV2-bedingte Fruchtbarkeitsstörungen (PCV2-RD = reproductive disease) konnten durch Besamung von Sauen mit experimentell infiziertem Sperma ausgelöst werden. Bis heute konnte keine Übertragung der Infektion auf die Sau oder deren Ferkel nach der Insemination von natürlich-infiziertem Sperma beschrieben werden. Aus diesen Erfahrungen kann man deshalb schließen, dass die Infektion durch Sperma selten geschieht, da der normale Virusgehalt vermutlich nicht ausreichend ist, um infektiös zu sein.
Worauf ist das relativ moderne pathogene Verhalten zurückzuführen?
Es gibt keine einfache Erklärung für die Tatsache, dass PCV2, ein ubiquitäres Virus, plötzlich und weltweit als eine Krankheit mit seuchenhafter Erscheinung auftrat. Wahrscheinlich gibt es unterschiedliche Aspekte, die im Zusammenhang mit der Schweineproduktion und dem internationalen Handel stehen, wodurch dieses Phänomen teilweise erklärt werden kann. Nichtsdestoweniger wissen wir heute, dass der Wechsel der klinischen Erscheinung von sporadisch zu epidemisch mit dem Wechsel der Prävalenz vom Genotyp PCV2a zu PCV2b verbunden ist. Ein Beispiel für dieses Phänomen ist in Grafik 2 dargestellt. Demgegenüber stehen einige Studien, die eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Auslösen der Erkrankung durch Verwendung von PCV2b als von PCV2a als Inokula darlegen.
Grafik 2. Nachweishäufigkeit von PCV2a und PCV2b in Spanien (nach Cortey et al., 2011 Vet J)
In diesem Sinne scheint es verwunderlich, dass der Genotyp "a" eine Kreuzprotektivität gegen den Genotyp "b" aufweist, da die kommerziellen Impfstoffe, die zurzeit existieren, auf dem Virus mit dem ersten Genotyp basieren.
Welche Faktoren haben einen Einfluss auf den Ausdruck der PCVDs1?
Das klinische Bild, welches die Tiere entwickeln können, hängt von mehreren Faktoren ab, wie zum Beispiel von deren Alter, ihrem aktiven oder passiven Immunschutz, dem Infektionsdruck, der individuellen Viruslast, dem Übertragungsweg, der physiologischen Verfassung (Zeitpunkt während der Trächtigkeit), und auch vom Auftreten gleichzeitiger Infektionen und Umgebungsfaktoren. Deshalb haben viele epidemiologische Studien eine Reihe von Risikofaktoren beschrieben, die an der Entwicklung von PCV2-SD beteiligt sind. Diese sind in Tabelle 1 dargestellt (wir weisen darauf hin, dass es sich um eine Zusammenstellung von Ergebnissen aus verschiedenen Studien mit diagnostischem Ansatz handelt. Teilweise ist dabei der biologische Zusammenhang in einigen Fällen nicht a priori offensichtlich, teilweise erscheinen die Zusammenhänge unklar).
Tabelle 1. Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Entstehung von PCV2-SD Faktoren, die das Risiko für PCV2-SD erhöhen.
Faktoren, die das Risiko für PCV2-SD erhöhen | Faktoren, die das Risiko für PCV2-SD reduzieren |
PCV2:
Individuelle Faktoren:
Bestand:
Arbeitsmaßnahmen:
Koinfektionen/Impfungen:
Biosecurity:
|
Betrieb:
Arbeitsmaßnahmen:
Behandlungen/Impfungen:
Biosecurity:
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1PCVDs: Erkrankungen durch das Porzine Circovirus