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Klinischer Fall: Akute Magengeschwüre bei 30-40 kg schweren Schweinen

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Dieser klinische Fall beschäftigt sich mit dem plötzlichen Auftreten von Magengeschwüren über einen Zeitraum von 12 Monaten in 38 verschiedenen Betrieben. Die Verlustraten variierten abhängig von der Schwere des Falls zwischen 5% und 40%.

Der klinische Fall

Dieser klinische Fall beschäftigt sich mit dem plötzlichen Auftreten von Magengeschwüren über einen Zeitraum von 12 Monaten in 38 verschiedenen Betrieben. Die Betriebe beziehen alle ihr Futter von einem Mischfutterhersteller in Lleida, einer Gegend mit einer sehr hohen Schweinedichte im Nordosten Spaniens.

Die ersten Fälle wurden im Oktober 2008 diagnostiziert und traten gleichzeitig in verschiedenen Betrieben in Katalonien, Aragonien und Valencia auf.

Die einzigen übereinstimmenden Merkmale waren das Auftreten bei 30-40 kg schweren Schweinen, das Ausmaß des Krankheitsausbruchs und die klinischen Symptome. Die Unterschiede bei der Stalleinrichtung, der verwendeten Genetik, dem Management und den Futterkomponenten machten es aber schwer, eine gemeinsame Ursache für das Problem zu finden. Die Verlustraten variierten abhängig von der Schwere des Falls zwischen 5% und 40%.

Sektion eines Tieres mit einem Magengeschwür

Klinische Symptome und Sektionsergebnisse

Klinisch konnte bei den betroffenen Tieren etwa 16 Stunden vor dem Verenden nur eine leichte Blässe beobachtet werden. Dabei traf es vor allem die schwersten Tiere aus der Bucht. Gleichzeitig mit den ersten Verlusten zeigten einige Tiere in den betroffenen Abteilen ein gestörtes Allgemeinbefinden in Form von Benommenheit und Teilnahmslosigkeit. Ansonsten zeigten die Tiere keine weiteren Symptome.

Absetzferkel

Die durchgeführten Sektionen lieferten folgende Ergebnisse: akute Magenblutungen mit starker Magenfüllung, große Magengeschwüre, Ödeme im Mesenterium und bei 80% der Fälle eine hochgradige Hepatomegalie (Vergrößerung der Leber), sowie eine Orangefärbung und bröckelige Konsistenz der Leber.

Magengeschwür mit akuten Blutungen

Erste Maßnahmen

Der Anfangsverdacht fiel zunächst auf die Komponenten des Mischfutters und auf die Futterformulierung, weshalb folgende Maßnahmen beim Futter durchgeführt wurden:

  • Anstieg der Partikelgröße von 700 auf 800 µm
  • Reduzierung des Weizenanteils von 45% auf 25%
  • Einmischen von 2% Sojaspelzen als Rohfaserquelle
  • Einmischen von Bikarbonat mit einer Dosierung von10 kg/t
  • Erhöhung des Anteils von Vitamin E und Selen (Se) auf 40 bzw. 0,5 ppm
  • schrotförmiges Futter in den betroffenen Betrieben.

Laborergebnisse

Trotz dieser Maßnahmen traten weitere Fälle mit vergleichbarer Schwere auf. Deshalb wurden makroskopisch veränderte Lebern sowie scheinbar normale Lebern an das Pathologische Institut der Universität von Barcelona (Universidad Autónoma de Barcelona, UAB) geschickt.

Leber

Histologisch konnten eine zentrolobuläre Nekrose der Hepatozyten (Leberzellnekrose) und eine hochgradige Zerstörung der Leberstruktur mit mononukleärer Entzündung und Megalozyten gefunden werden. Diese Veränderungen passten zu einer chronischen Vergiftung und/oder einer Hepatosis diaetetica.

Zentrolobuläre Nekrose der Hepatozyten (Leberzellnekrose) und hochgradige Zerstörung der Leberstruktur mit mononukleärer Entzündung und Megalozyten.

Weiterführende Untersuchungen

Im Folgenden stellten wir verschiedene Hypothesen auf, um die histologischen Leberbefunde und die Magengeschwüre erklären zu können. Alle Hypothesen stützten sich dabei zunächst auf mögliche lebertoxische Substanzen, die zu den gefundenen Labordiagnosen führen könnten.

Erste Hypothese: Verdacht einer Aflatoxinvergiftung

Mykotoxine schienen uns unter den vielen möglichen toxischen Substanzen im Tierfutter, die eine Leber schädigen können, am wahrscheinlichsten. Deshalb untersuchten wir die Ausgangskomponenten und das Mischfutter auf Aflatoxine, Deoxynivalenol (DON), Zearalenon, Ochratoxin, Fumonsine und Triothecene mithilfe von HPLC in verschiedenen Speziallaboren. Die Ergebnisse waren durchweg negativ oder in sehr geringen Konzentrationen positiv.

Allerdings ist es im Fall von Mykotoxinen schwer eine repräsentative Stichprobe beim Mischfutterhersteller zu nehmen, sodass die Ergebnisse nicht beweisend waren. Deshalb wurde entschieden, dieselben Mykotoxine auch in den veränderten Lebern mithilfe der HPLC MS/MS Technik in einem Speziallabor in Rotterdam zu untersuchen. Die Ergebnisse waren ebenfalls negativ.

Mykotoxine als Grund für die Magengeschwüre rückten somit immer weiter in den Hintergrund. Die Argumentation hatte auch noch eine weitere Schwachstelle: Der Mischfutterhersteller produziert Futter für mehrere Tierspezies und die belieferten Geflügelbetriebe meldeten gar keine Probleme, obwohl Geflügel noch empfindlicher auf bestimmte Mykotoxine reagiert als Schweine.

Zweite Hypothese: Verdacht einer anderen toxischen Substanz

Aufgrund des Fehlens eindeutiger Ergebnisse und aufgrund der Schwere des Ausbruchs vermuteten wir, dass eine andere, seltenere toxische Substanz für die Leberveränderungen verantwortlich sein könnte.

Die Leber stellt das wichtigste entgiftende Organ des Körpers dar und somit gäbe es hunderte mögliche toxische Substanzen. Wir stellten im Hinblick auf das mögliche Vorkommen im Mischfutter eine Liste mit möglichen Substanzen auf und untersuchten diese in den folgenden internationalen Untersuchungslaboren:

  • Nachweis von Schwermetallen in der Leber, den Nieren und im subkutanen Fettgewebe mithilfe von Atomabsorptionsspektrometrie (Eurofins Ltd.London)
  • Nachweis von Pyrrolizidinalkaloiden mithilfe von HPLC im Mischfutter (Lab. Quantum Barcelona)
  • Nachweis von Herbiziden und Insektiziden mithilfe von HPLC im Mischfutter und in der Leber (TLR Labor, Rotterdam)
  • Toxikologische Untersuchung mithilfe von Dünnschichtchromatographie zum Nachweis lebertoxischer Substanzen (Institut für Toxikologie der UAB).

Der einzige Befund der oben genannten Untersuchungen war eine geringgradige Peroxidation des Mischfutters. Allerdings ist es unmöglich zu beweisen, ob es sich dabei um eine tatsächliche Peroxidation handelt oder ob sie nur durch die Lagerung der Futterproben entstanden ist. Ansonsten konnten keine der untersuchten Substanzen nachgewiesen werden.

Dritte Hypothese: Verdacht eines Vitamin-E-Mangels

Da keine Hinweise auf eine chronische Intoxikation gefunden werden konnten, suchten wir nun auch in Richtung der zweiten Differentialdiagnose: Hepatosis diaetetica. Obwohl keine klinischen Symptome und auch bei den Sektionen weder Hinweise auf die Maulbeerherzkrankheit noch auf die Weißmuskelkrankheit zu beobachten waren, wurde diese Möglichkeit trotzdem berücksichtigt und gründlich untersucht.

Deshalb wurde der Gehalt an Vitamin E und Se im Mischfutter und im Blutserum untersucht.

Tabelle 1. Gehalt an Vitamin E und Selen im Blutserum.

Serum Dezember 2008
Proben Vit E (µg/ml) Se (µg/ml)
1 < 0,5 0,93
2 < 0,5 0,78
3 < 0,5 0,73
4 < 0,5 0,61
Ref. 8-10 0,4-0,8

Die Ergebnisse lagen deutlich unter den empfohlenen Werten.

Wir beschlossen daraufhin, alle betroffenen Mastgruppen mit einem injizierbaren Vitamin E und Se Präparat (Tocopherolacetat 50 mg; Natriumselenit 1,5mg) zu behandeln. Die Ergebnisse waren in 85% der behandelten Mastgruppen sehr positiv. Wir erhöhten auch den Gehalt an Vitamin E im Futter für die Ferkel, für die Mastschweine und für die Sauen.

Schlussfolgerung und Lösung des klinischen Falls

Vitamin E ist das stärkste natürliche Antioxidationsmittel und wirkt deshalb schützend auf die Zellmembranen, indem es u.a. oxidative Reaktionen in der Zelle in vivo unterbindet. Bei der Behandlung von Leberzirrhose beim Menschen stellt Vitamin E das Mittel der Wahl dar und auch im vorliegenden Praxisfall entfaltete es seine unterstützende Wirkung bei den Schweinen.

Die Hepatosis diaetetica kann mit Magengeschwüren vergesellschaftet sein. Allerdings konnte die Hepatosis im experimentellen Fütterungsversuch nicht reproduziert werden, indem man 30 bis 100 kg schwere Schweine weder mit Vitamin E noch mit Se fütterte.

Die Vitamin-E-Reserven in der Leber können durch toxische Substanzen, allen voran Mykotoxine oder Peroxide aus Verderbnisprozessen, verbraucht werden. Außerdem können die Vitamin-E-Gehalte bereits im Mischfutter durch das Vorkommen der toxischen Substanzen sinken.

Der Zeitpunkt als die Probleme auftraten (in allen Fällen waren 30 bis 40 kg schwere Tiere betroffen) sollte besonders hervorgehoben werden. Denn zu diesem Zeitpunkt mit 30 bis 40 kg Lebendgewicht haben die Schweine das größte Wachstumspotenzial, wodurch die Körperorgane einem großen oxidativem Stress ausgesetzt sind.

Ende 2008 stiegen die Preise für Vitamin E weltweit an. Daraufhin wurden allgemein die Gehalte an Vitamin E im Futter reduziert. Könnte es aber nicht auch sein, dass die Qualität des Futters zusätzlich beeinträchtigt war? Vielleicht gab es im Futter auch noch eine toxische Substanz oder ein Mykotoxin, das zu einer reduzierten Verfügbarkeit von Vitamin E im Tierkörper führte? Oder führte diese toxische Substanz eventuell zu vermehrtem oxidativen Stress in der Leber, sodass dieses Organ einfach mehr Antioxidationsmittel brauchte, um vernünftig arbeiten zu können?

Anfang 2009 wurden die Gehalte an Vitamin E im Futter wieder erhöht. Daraufhin wurden wieder Serumproben untersucht. Grafik 1 zeigt die Ergebnisse beider Untersuchungen.

Grafik 1. Vergleich der Gehalten an Vitamin E und Se im Blutserum.

Vergleich der Gehalten an Vitamin E und Se im Blutserum.

Die Autoren dieses Artikels möchten sich bei allen Tierärzten, Mitarbeitern und Managern der Betriebe für die Zusammenarbeit und Unterstützung während des klinischen Falls bedanken und sie als Coautoren erwähnen.

Kommentare zum Artikel

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09-Mrz-2014 w.kuhz1Ist es moeglich dass ausser dem beschriebenen Mangel an Vitamin E und Selen ein Befall mit Heliobacter Pylori vorlag? Bei Menschen zumindest ist das Vorhandensein dieser Microorganismen in den meisten Faellen fuer das Entstehen von Magengeschwueren zumindest mitverantwortlich.
Viele Gruesse aus Thailand
Walter
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