Über die Einführung alternativer Methoden zur chirurgischen Kastration von Schweinen ohne Anästhesie oder Analgesie wird in der Europäischen Union immer wieder diskutiert.
Die Vorschriften sind in der gesamten EU klar und bekannt: Die Richtlinie 2008/120/EG gibt Mindestnormen für den Schutz von Schweinen vor, die festlegen, dass die Kastration eine der Ausnahmen vom Verbot der Verstümmelung von (männlichen) Schweinen ist. Wenn die Kastration vor dem 7. Lebenstag praktiziert wird, kann sie von einer geschulten Person ohne Anästhesie oder Analgesie durchgeführt werden, solange dies nicht durch das Herausreißen von Gewebe erfolgt. Wenn die Kastration nach dem 7. Lebenstag erfolgt, muss sie von einem Tierarzt und unter Anästhesie und längerer Analgesie durchgeführt werden.
Im Jahr 2010 wurde die Erklärung über Alternativen zur chirurgischen Kastration bei Schweinen unterzeichnet, in der man zwei Fristen vorschlug:
- 01.01.2012: Ende der chirurgischen Kastration ohne Anästhesie und/oder verlängerte Analgesie
- 01.01.2018: Ende der chirurgischen Kastration mit einigen Ausnahmen bei hochwertigen traditionellen Produkten
Zur Einhaltung dieser Fristen mussten mehrere Bedingungen erfüllt werden, wie z. B. anerkannte Methoden zur Erkennung des Ebergeruchs, die Einführung von Schnellerkennungsmethoden im Schlachthof, die Verringerung des Ebergeruchs durch genetische Selektion und/oder Management und Fütterung, Verbraucherakzeptanz dieser Produkte usw.
Da diese Voraussetzungen nicht erfüllt wurden, war es nicht möglich, der weit verbreiteten konventionellen Kastration in der EU ein Ende zu setzen.
Länder wie Deutschland kommen mit ihren Gesetzen und Vorschriften schneller voran. Die deutsche Verordnung, die eine chirurgische Kastration ohne Anästhesie oder Analgesie verbietet, sollte 2019 in vollem Umfang in Kraft treten, erhielt aber ein zweijähriges Moratorium. Die Möglichkeit für die deutschen Schweineproduzenten besteht darin, eine allgemeine Inhalationsanästhesie mit Isofluran durchzuführen. Der Erzeuger muss über die geeignete Ausrüstung verfügen und in ihrem Einsatz geschult sein.
Die europäischen Länder können in vier Gruppen unterteilt werden:
- Länder, die weniger als 20 % der Eber kastrieren und deren Produktion überwiegend mit Hilfe von unkastrierten Ebern erfolgt.
- Länder, die 20-80 % der Eber chirurgisch kastrieren und ansonsten Immunokastration durchführen oder unkastrierte Eber aufziehen.
- Länder, die über 80 % der Eber chirurgisch kastrieren, dies aber mit Hilfe von Anästhesie (lokal/ allgemein) und/oder verlängerter Analgesie tun.
- Länder, die über 80 % der Eber chirurgisch kastrieren und dabei keine Anästhesie oder Analgesie verwenden.
Angesichts der Notwendigkeit, in diesem Bereich Fortschritte zu erzielen, wurde neben der Expertengruppe der Kommission eine freiwillige Untergruppe gebildet, die unter dem Dach der EU-Plattform für Tierschutz alternative Kastrationsmethoden erörtern sollte. In der ersten Sitzung im Mai 2019 stand die Analyse des Berichts „Einführung bewährter Verfahren für die Produktion, Verarbeitung und Vermarktung von Fleisch von nicht kastrierten Schweinen oder Schweinen, die gegen Ebergeruch geimpft (immunokastriert) sind“ im Mittelpunkt. In dem Bericht wurde eine Analyse der bewährten Praktiken in verschiedenen Mitgliedstaaten mit Hilfe unkastrierter Eber oder immunokastrierter Eber durchgeführt und man kam zu dem Schluss, dass es viele Modelle gibt, die in Europa funktionieren, obwohl sowohl in der Art und Weise, wie die Informationen gesammelt wurden, als auch in den Nachweisen, dass die einzelnen Modelle wirklich funktionierten, und in der Kenntnis über die direkten Kosten ihrer Umsetzung Einschränkungen zu machen sind. Der Trend geht jedoch dazu, den Tierschutz und die Wahrnehmung des Verbrauchers zu verbessern.
Analyse der verfügbaren Alternativen zur chirurgischen Kastration ohne Anästhesie oder Analgesie:
1.- Produktion unkastrierter Eber
Dies ist die gegenwärtige Realität für EU-Länder wie Irland und das Vereinigte Königreich und es ist eine sehr beliebte Produktionsoption in Portugal und Spanien. Sie löst das Problem des Tierwohls in Zusammenhang mit der Kastration, gilt aber nicht für alle Länder, Produktionssysteme oder Strukturen. Sie ist keine Option für die Produktion von Schweinefleisch mit hohem Fettanteil oder in Ländern, in denen ein höheres Schlachtkörpergewicht einem höheren Ertrag beim Zerlegen des Schweinefleischs entspricht.
Für Tierschutz-NGOs ist sie nach wie vor die gewünschte Alternative und die beste Option, obwohl sie in der Bioproduktion selten zum Einsatz kommt.
Eine Schwierigkeit besteht darin, dass es mangelnde Kenntnisse über Verbraucherbeschwerden gibt, wenn es um unerwünschte Gerüche und Geschmacksstoffe (Ebergeruch) geht, entweder weil es keine Probleme gibt oder weil diese Probleme nicht kommuniziert werden. Auf der anderen Seite würde die Reduzierung des Fettgehalts die Struktur des Produkts verändern.
2.- Immunokastration
Dies ist eine echte und praktikable Alternative für die Produktion von Ebern ohne die Notwendigkeit einer chirurgischen Kastration. Dieses Verfahren wird von Tierschutz-NGOs für optimal gehalten. Der Hauptvorteil liegt darin, dass dabei die intramuskuläre Fettstruktur besser erhalten wird als beim unkastrierten Eber, aber es gibt Produzenten, die darin auch einige Probleme sehen:
- Die Immunokastration wird nicht von der gesamten verarbeitenden Industrie akzeptiert.
- Man muss die Reaktion der Verbraucher sowohl in der EU als auch in Drittländern kennen.
- Für schwere Schweine werden drei Dosen benötigt.
3.- Anästhesie
Diese Alternative wird in den letzten Jahren immer beliebter, vor allem, weil sie die meistgenutzte Option in Schweden ist und sich in Deutschland verbreitet. Es gibt zwei Arten von Anästhesie: die Lokalanästhesie (hauptsächlich mit Lidocain oder Procain) oder die Allgemeinanästhesie (Isofluran oder CO2). Viele Länder machen Fortschritte in diesem Bereich, aber es gibt mehrere Probleme:
- Mangelnde Unterstützung durch NGOs aufgrund der Schwierigkeit bei der Überwachung ihrer Verwendung und der geringen Garantie durch lokale Anästhetika.
- Aufwändiger Umgang mit den Tieren, die in eine Gaskammer gebracht werden müssen oder denen eine intraskrotale Injektion zu verabreichen ist.
- Die Anästhesie allein wird nicht als ausreichend angesehen. Sie muss zusammen mit der Verabreichung schmerzstillender Mittel erfolgen.
- Es gibt keine zugelassenen Produkte für den Einsatz bei Ferkeln, so dass die Medikamente off-label (nach dem Stufenschema) verordnet werden müssen.
- In vielen Ländern muss die Anästhesie von einem Tierarzt durchgeführt werden. In Schweden müssen die Erzeuger eine Ausnahme beantragen, um die Anästhesie selbst durchführen zu können.
Die Alternativen zur chirurgischen Kastration müssen weiter vorangetrieben werden. Die Produktion unkastrierter Eber und die Immunokastration sind eigentlich einfache und realistische Lösungen. Es gibt jedoch Länder oder Produktionssysteme, die zur Anästhesie (Lokal- oder Allgemeinanästhesie) tendieren, obwohl man weiß, dass sie nicht die beste Alternative ist und dass es ein ernstes Problem mit der Verfügbarkeit von Produkten gibt, die vom Erzeuger verwendet werden können.
Fortschritte im Tierschutz sollten kostensparend sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben, da es schwierig ist, seine Kosten auf die Schweinefleischkette zu übertragen. Um den Freihandel in der EU nicht zu verändern, sollte es darüber hinaus eine gegenseitige Anerkennung zwischen den Ländern mit unterschiedlichen Methoden zur Beseitigung von Kastrationsschmerzen geben. Das heißt, die Produkte, die zum Kastrieren von Schweinen mit Lokal- und Allgemeinanästhesie verwendet werden, sollten gegenseitig anerkannt werden.