Warum hat die Antibiotikaresistenz in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen?
Dies ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen und es war nur eine Frage der Zeit, bis man auf dieses Problem aufmerksam wurde. In unserem Labor kämpfen wir bereits seit über zehn Jahren gegen Antibiotikaresistenzen. Der sachgemäße, unsachgemäße und missbräuchliche Einsatz von Antibiotika in der Human- und der Veterinärmedizin in den letzten Jahrzehnten hat eine rasche Zunahme der Resistenzgrade sowie das Auftreten neuer Mechanismen und multiresistenter Bakterien gefördert, die selbst gegen alle bekannten Antibiotika resistent sein können. Gleichzeitig hat die Industrie aufgrund verschiedener Umstände ihre Anstrengungen in den letzten Jahrzehnten nicht darauf gerichtet, nach neuen Antibiotika zu suchen.
Antibiotikaresistenzen führen jedes Jahr zu über 25.000 Todesfällen in der EU und zu damit verbundenen Kosten in Höhe von ca. 1,5 Milliarden Euro. 2014 wurde dies bereits als eine der größten Bedrohungen für die Gesundheit des Menschen weltweit anerkannt und im September 2016 erklärte die UNO die Antibiotikaresistenz einstimmig zu einer der wichtigsten gesundheitlichen Gefahren weltweit.
Welche Verantwortung trägt dabei die Tierproduktion?
Die Verantwortung des Sektors der Tierproduktion ist schwer zu quantifizieren. Wie wir wissen, selektieren Antibiotika immer Bakterien, die gegen sie resistent sind. Nach diesem Grundsatz kann das Auftreten von Resistenzen gegen Antibiotika durch die Reduzierung ihres Einsatzes aufgehalten werden. Dies geschieht in einigen Ländern sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin. Die Zeit der Schuldzuweisungen ist glücklicherweise vorbei, womit der Weg für den gemeinsamen Kampf aller, die an dem Einsatz von Antibiotika beteiligt sind, freigemacht ist. In der Tierproduktion muss man sich verpflichten, den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren, indem man sie effizienter benutzt und Verfahren gefördert werden, die die Tiergesundheit und den Tierschutz sowie die Biosicherheitsmaßnahmen in den Betrieben verbessern.
Ist es möglich, Antibiotikaresistenzen vom Tier auf den Menschen zu übertragen und umgekehrt?
Selbstverständlich ist dies möglich und aus diesem Grund ist es so wichtig, in diesem Kampf zusammenzuarbeiten. Allein durch die Reduzierung des Einsatzes von Antibiotika reduziert man das Risiko. Im April 2017 veröffentlichten wir einen Artikel, in dem zum ersten Mal in der Welt das Auftreten eines humanen Krankheitserregers beschrieben wurde, der sich so weit anpasste, dass er in Hunden leben konnte, und der gegenüber Tigecyclin resistent ist, einem Antibiotikum, das als letzte Option in der Humanmedizin verwendet wird und in der Veterinärmedizin nicht zum Einsatz kommt. Dies unterstreicht die Wichtigkeit, im Kampf zusammenzuarbeiten, da die medizinische Behandlung der Nutz- und Haustiere indirekte Folgen für die Humanmedizin hat, genauso wie die medizinische Behandlung des Menschen sich auf die Tiere auswirkt. Zu bedenken ist, dass wir Menschen für den ordnungsgemäßen Einsatz von Antibiotika verantwortlich sind und zwar, nicht nur dann, wenn wir sie den Tieren verschreiben, sondern auch dann, wenn sie uns verschrieben werden, denn schließlich hängen die Tiere von unseren Entscheidungen ab.
Kann Fleisch Resistenzen enthalten, auch wenn keine Antibiotikarückstände nachzuweisen sind?
Das meiste Futter ist nicht steril und enthält deshalb Bakterien mit DNA, die für Antibiotikaresistenzgene kodieren kann. Beim Fleisch wird es auf die Behandlung ankommen, der es während des Herstellungsprozesses ausgesetzt ist, wobei man immer den Risikofaktor in Betracht ziehen muss, der sich aus den potentiell hohen Resistenzgraden in den Zuchtbetrieben ergibt. Derzeit arbeiten wir an der Quantifizierung. Im EFFORT-Projekt analysieren wir Fleischproben verschiedener Herkunft, um die Bakterienkonzentrationen und die Resistenzgene, die sie enthalten, zu untersuchen. Auf diese Weise werden wir die Daten erhalten, die notwendig sind, um das potentielle Vorkommen von Resistenzgenen im Futter zu schätzen.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Resistenz auf Menschen übertragen wird?
Wir müssen zuerst noch mehr Kenntnisse sammeln und weitere Forschung betreiben, um mehr Daten zu erhalten, mit deren Hilfe wir die Übertragungsraten bestimmen können. Erkenntnisse werden in erster Linie von speziellen Fällen und der individuellen Suszeptibilität abhängen. Außerdem wird es auf die Mikroorganismen, die die Resistenzfaktoren tragen, auf ihre Virulenz oder die Fähigkeit sich anzusiedeln und anzupassen ankommen.
Ist es möglich, dass der Einsatz antimikrobieller Substanzen bei Tieren, die nicht in der Humanmedizin verwendet werden, Antibiotikaresistenzen in humanen Krankheitserregern begünstigen könnten und umgekehrt?
Dies hängt vom jeweiligen Fall ab. Im Hinblick auf Enrofloxacin zum Beispiel besteht kein Zweifel daran. Bakterien, die gegen Enrofloxacin resistent sind, sind auch resistent gegen Fluorquinolone, die beim Menschen zum Einsatz kommen, wie z. B. Ciprofloxacin oder Levofloxacin, die in der Humanmedizin häufig verwendet werden, um komplexe Harn- oder Atemwegsinfektionen zu behandeln. Trotz der großen Anzahl an Antibiotika, die zur Verfügung stehen, können sie wenigen Familien zugeordnet werden, die unter anderem die gleiche Grundstruktur und Wirkungsweise aufweisen. Ebenso können die Gene für Antibiotikaresistenzen in Resistenzgruppen gegen die verschiedenen Familien unterteilt werden. Es kommt häufig vor, dass ein einziges Gen zur Resistenz gegen eine Vielzahl an Antibiotika führt, die zur selben Familie gehören. Beispielsweise begünstigen Cephalosporine der dritten Generation, die in Krankenhäusern zum Einsatz kommen, die Resistenz gegenüber anderen Mitgliedern der β-Lactam-Familie wie beispielsweise Amoxicillin und Penicillin, die häufig in der Veterinärmedizin eingesetzt werden. Auf die gleiche Weise kann der Einsatz von Enrofloxacin, einem Fluorquinolon, bei Schweinen den Anstieg der Resistenz gegen Ciprofloxacin begünstigen.
Wie kann die Antibiotikaresistenz reduziert werden?
Die Strategiepläne, die von mehreren medizinischen Einrichtungen aufgestellt wurden, spiegeln die 6 Hauptpfeiler im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen wider:
- Der Umfang des Antibiotikaverbrauchs muss bekannt sein.
- Transparenz steht an erster Stelle.
- Der Resistenzgrad muss bekannt sein.
- Forschung ist unerlässlich, um neue Wege im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen zu finden.
- Alternativen für den Einsatz von Antibiotika müssen gefördert werden, womit eine deutliche Verbesserung des Betriebsmanagements einhergeht.
- Und schließlich sind die Schulung von Fachleuten und die Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft Schlüsselfaktoren, damit wir diese Pandemie alle zusammen bewältigen können.
In vielen Ländern, in denen die Schweineproduktion ein wichtiger Sektor ist, gab es eine Wende in der Art und Weise, in der das Problem wahrgenommen wird. Einige Länder haben begonnen, Maßnahmen zur Reduzierung der Antibiotikaresistenz zu ergreifen. Es wird erwartet, dass kurz- bis mittelfristig besondere Anforderungen an die Händler, Verarbeiter etc. gestellt werden, um den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren. Das Engagement der Schweineindustrie wird auf jeden Fall ein Schlüsselelement bei der Verbesserung dieser Parameter sein. Angesichts der Professionalität des Sektors und der Bedeutung aller mit der Lebensmittelsicherheit verbundenen Angelegenheiten für den Verbraucher besteht kein Zweifel daran, dass man bei der Reduzierung der Antibiotikaresistenzen beträchtliche Fortschritte machen wird.