Es besteht kein Zweifel an dem zoonotischen Risiko von Schweineinfluenza. Unklar ist allerdings, wie bedeutend dieser respiratorische Krankheitserreger hinsichtlich der Produktivität ist. Im Großen und Ganzen gilt Influenza in Nordamerika als die zweitwichtigste Atemwegserkrankung beim Schwein und wird in den Impfplänen der Betriebe in der Regel berücksichtigt. In Europa dagegen werden die Auswirkungen dieser Krankheit in den verschiedenen Ländern und selbst in bestimmten Gebieten oder Betrieben innerhalb eines Landes sehr unterschiedlich wahrgenommen. Eine mögliche Erklärung für diese unterschiedlichen Sichtweisen könnte darin liegen, dass ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, d. h. zwischen vorhandenen Influenzaviren und offensichtlich vorhandenen klinischen Auswirkungen, fehlt. In manchen Fällen ist dies auf eine ungeeignete oder unzureichende Diagnose zurückzuführen.
Um die Auswirkungen von Influenza auf die Produktivität zu beurteilen, müssen zwei verschiedene Situationen untersucht werden: 1) Epidemische Situationen, die oft von akuten Ausbrüchen von Atemwegserkrankungen mit hoher Morbidität geprägt sind, und 2) die endemischen Situationen, die allgemein von einer niedrigen Inzidenz geprägt sind, die mit verschiedenen Szenarien in Zusammenhang stehen können, angefangen von einer offensichtlich subklinischen Zirkulation des Virus bis hin zum wiederkehrenden Auftreten von Atemwegserkrankungen.
Epidemische Situationen treten oft auf, wenn ein Influenza-Stamm in einen anfälligen Betrieb eingeschleppt wurde. In diesen Fällen gibt es es unterschiedliche Auswirkungen, die verschiedenen Bedingungen unterliegen (Umgebung, Einrichtung, Management, Begleiterkrankungen etc.). In einigen Fällen kann die epidemische Situation zu schwerwiegenden Problemen in Aufzuchtbetrieben führen. Ein Fall, der auf den „Swine days” der Autonomen Universität Barcelona (Casanovas, 2012) vorgestellt wurde, beschrieb einen epidemischen Ausbruch, der durch einen H3N2-Stamm in einem spanischen Aufzuchtbetrieb mit 800 Sauen verursacht wurde. Die Ausbruch führte zu einem starken Anstieg der Aborte und sogar zu Todesfällen bei Sauen. Insbesondere führte das Fieber zu 21 Todesfällen und 14 Aborten. Dabei ist zu erwähnen, dass sich ein extremer Fall im Juni 2011 ereignete, als die hohen Temperaturen wahrscheinlich einen großen Anteil an der Schwere des Falles hatten. Bemerkenswerterweise kann eine zirkulierende epidemische Influenza auch einen starken Anstieg der unregelmäßigen Rückkehr zum Östrus spielen, der bei bis zu +15% liegen kann (Lorenzo, Avances, 2014). In anderen Produktionsphasen ist die potentielle Auswirkung aufgrund der niedrigen Mortalität (<1%) und des kompensatorischen Wachstums, das in den meisten Fällen beobachtet wurde, von geringerer Bedeutung, solange Sekundärinfektionen leicht zu kontrollieren sind.
Endemische Situationen entstehen, wenn ein Virus für lange Zeiträume in einem Betrieb verbleibt. In diesen Situationen sind die Auswirkungen viraler Infektionen schwer zu beurteilen, da es möglicherweise Wechselwirkungen mit anderen (viralen oder bakeriellen) Krankheitserregern gibt. Es gibt jedoch zwei eingehende Studien, die die Auswirkungen von in Aufzuchtställen endemisch zirkulierenden Influenzaviren bewerten (Gillespie 1999, Torremorell et al., 2009). In beiden Studien werden ähnliche Situationen beschrieben: 1) Wiederkehrende respiratorische Symptome in jedem Tierbestand, 2) erhöhte Mortalität von ca. 2% und 3) ein Rückgang des Endgewichts beim Absetzen, der in der ersten Studie bei -10% und in der zweiten Studie bei -30% lag. Darüber hinaus wurden in beiden Studien Sekundärkomplikationen durch bakterielle Infektionen festgestellt, durch die die indirekten Kosten pro Behandlung zunahmen.
In Europa stehen nicht viele Daten zur Verfügung, die die Auswirkungen von Influenza in endemisch infizierten Betrieben so eingehend beurteilen. In einer Studie, die von der Gruppe Epidemiologie und Infektionskrankheiten der veterinärmedizinischen Fakultät der Autonomen Universität Barcelona durchgeführt wurde (2012, unveröffentlichte Daten), wurden die Auswirkungen endemischer Influenza in Schweinebeständen während der Mastphase beurteilt. Innerhalb derselben Unternehmensgruppe wurden Produktionsdaten von 137 Tierbeständen ausgewertet. In 33 von 137 Ställen wurden Ausbrüche von Atemwegserkrankungen festgestellt. In 20 dieser 33 Ställe wurden Tiere gefunden, deren orale Flüssigkeiten im RT-PCR-Verfahren positiv auf das Influenzavirus getestet wurden. Die vom Influenzavirus infizierten Tierbestände zeigten große Unterschiede im Vergleich zu gesunden Beständen bezüglich: 1) der durchschnittlichen Produktionstage (+3 Tage), 2) der gesamten Zahl an Tagen der Stallbelegung (Tage bis zur vollständigen Leerung des Stalls; +2,5 Tage) und 3) der Mortalitätsrate (+24,6% relativer Anstieg) (Tabelle 1). Bezüglich der Produktivität erfuhren die Unternehmen, in denen klinische Ausbrüche durch Influenza verursacht wurden, einen Verlust von ca. 0,66 € pro erzeugtem Schwein im Vergleich zu Tierbeständen, bei denen keine Ausbrüche von Atemwegserkrankungen auftraten (s. Tabelle 2). Zudem müssen die mit den Atemwegserkrankungen angefallenen Kosten für Medikamente hinzugerechnet werden. Offensichtlich handelt es sich bei den in dieser Studie erhaltenen Ergebnissen um vorläufige Zahlen und es muss darauf hingewiesen werden, dass die Bewertungen retrospektiv erfolgten. Allerdings können sie als erste Orientierung zur Einschätzung der tatsächlichen Auswirkungen der Zirkulation von Influenzaviren in dieser Produktionsphase in Bezug auf Wirtschaftlichkeit und Produktivität dienen.
Tabelle 1: Analyse der Produktivität und Wirtschaftlichkeit bei Infektionen mit dem Influenzavirus während der Mast.
Vorläufige Daten von 137 Tierbeständen, die zum gleichen Unternehmen gehören.
Todesfälle | Durchschnittliche Zeit, bis alle Tiere geschlachtet wurden (Tage) | Durchschnittliche Zeit, um das Schlachtgewicht zu erreichen (Tage) | |
Bestände mit Ausbrüchen von Influenzavirus-Infektionen, die im Labor bestätigt wurden (n=20) | 4.1%a | 159.2a | 137.2a |
Influenza-negative Tierbestände mit Ausbrüchen von Atemwegserkrankungen (n=13) | 4.08%a | 158,5a.b | 134.6b |
Gesunde Tierbestände (n=104) | 3.39%b | 156.6b | 134.2b |
a>b>c P-value < 0,05
Tabelle 2: Berechnung der Kosten pro verkauftem Tier in den Influenza-positiven Mastbetrieben
Unterschiede | Bemerkungen | Wirtschaftliche Kosten | |
Futteraufnahme / Tier | NEIN | - | - |
Endgewicht / Tier | NEIN | - | - |
Todesfälle | JA | Anstieg der Todesfälle aufgrund der Influenza-Ausbrüche im Vergleich zu gesunden Mastbetrieben = +0,827%; relativer Anstieg = +24,6% | → Kosten eines Saugferkels (Spanien, 2012) = 42 € → Einkommensverluste pro totem Tier = 7 € → Gesamtkosten pro totem Tier = 42+7 = 49 € → Anstieg der Todesfälle aufgrund von Influenza = 0,827 x Masttiere → Verkaufte Tiere = Masttiere – Gesamtzahl der Todesfälle (4,1% in Beständen, die von Influenza betroffen sind) → Kosten pro verkauftem Tier = (Gesamtkosten der Todesfälle x Anstieg der Todesfälle aufgrund von Influenza) /Verkaufte Tiere = 0,42 €/ Verkauftes Tier |
Durchschnittliche Zeit, um das Schlachtgewicht zu erreichen | JA | Anstieg der aufgrund der Influenza-Ausbrüche benötigten Tage, um das durchschnittliche Schlachtgewicht zu erreichen, im Vergleich zu gesunden Mastbetrieben = + 3 Tage | Nicht berücksichtigt, solange es keine Unterschiede bei der Futteraufnahme und beim Endgewicht gibt |
Durchschnittliche Zeit, bis alle Tiere geschlachtet wurden | JA | Anstieg der durchschnittlichen Zeit, bis alle Tiere geschlachtet wurden, aufgrund von Influenza-Ausbrüchen im Vergleich zu gesunden Mastbetrieben = +2,6 Tage | Kosten des Betriebs der Anlagen pro Tag (Spanien, 2012) = 0,095 € Kosten pro verkauftem Tier = 0,095 €/Tag x 2,6 Tage = 0,247 € |
ANSTIEG DER GESAMTKOSTEN PRO VERKAUFTEM TIER IN MIT INFLUENZA INFIZIERTEN BESTÄNDEN = 0,667 € |
Schweineinfluenza ist letztendlich eine Krankheit, die große Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit und Produktivität eines Betriebs haben kann. Sie tritt selten, aber explosionsartig in epidemischen Situationen auf, während sie in endemischen Situationen wiederkehrende und ständige Auswirkungen mit geringer Inzidenz aufweist. Leider finden sich in der einschlägigen Literatur wenige Informationen über die Auswirkungen der Influenza auf die Produktivität. Derzeit gibt es viele offene Fragen, wie z. B.: 1) Wie wirkt sich die Krankheit in endemischen Situationen hinsichtlich der Reproduktion (unregelmäßige Rückkehr zum Östrus / Fruchtbarkeit) insbesondere bei Jungsauen aus? oder 2) Wie wirkt sich die Krankheit auf die Produktivität im Abferkelstall aus, vor allem wenn man weiß, dass Saugferkel in einem endemisch infizierten Betrieb eine Rolle als Virusreservoir spielen können?