Die Beurteilung von Lungenläsionen ist bei weitem die am häufigsten durchgeführte Untersuchung, vor allem zur Bestätigung und Quantifizierung von Atemproblemen sowie zur Bewertung der Ergebnisse bestimmter Interventionsstrategien. Die beiden häufigsten Lungenläsionen, die an Schweineschlachthöfen beobachtet werden, sind:
- kranioventrale Lungenkonsolidierung (CVPC)
- Pleuritis, hauptsächlich in den kaudalen Lappen
Im vorliegenden Artikel bezieht sich CVPC auf violett-dunkle und deutlich abgegrenzte Bereiche der Lungenkonsolidierung, die sich hauptsächlich beidseitig im apikalen, intermediären, akzessorischen sowie im kranialen Teil der Unterlappen befinden (Abb. 1).
In den meisten Fällen wird diese Art von Läsion durch eine Infektion mit Mycoplasma hyopneumoniae (M. hyopneumoniae) verursacht. Sie kann jedoch auch durch andere Erreger hervorgerufen werden, z. B. durch das Schweine-Influenza-Virus in einem multifokalen Muster und durch Bordetella bronchiseptica und Pasteurella multocida in einer diffuseren Form. Daher sollte(n) der/die verursachende(n) Erreger mit Hilfe von Labortechniken bestimmt werden.
Bei einer akuten M. hyopneumoniae-Erkrankung (und ohne Sekundärinfektionen) ist die Läsion deutlich abgegrenzt und lässt sich leicht erkennen und beurteilen. In den meisten Fällen wird die Läsion jedoch durch das Vorhandensein anderer bakterieller oder viraler Erreger verschlimmert und variiert in Farbe, Konsistenz und Ausdehnung (jedoch nicht in ihrer kranioventralen Lage).
Im Schlachthof festgestellte CVPC-Läsionen sind in der Regel chronisch, die Farbe ist eher gräulich, und das Gewebe kann geschrumpft sein und Narben oder interlobuläre Fissuren bilden, was die Untersuchung und Beurteilung erschwert. Wenn andere Läsionen vorhanden sind, wie z. B. eine Pleuritis, kann sich die Beurteilung der betroffenen Lappen als noch schwieriger oder gar unmöglich herausstellen. Makroskopisch wird der Schweregrad der CVPC anhand ihrer Ausdehnung gemessen; je höher der Prozentsatz des befallenen Gewebes, desto schwerer ist die Läsion.
Unter Pleuritis versteht man die Entzündung des Lungenfells. Wenn diese Läsion auf die dorso-kaudalen Lappen beschränkt ist, deutet sie stark auf eine Infektion mit Actinobacillus pleuropneumoniae hin (Abb. 2). Chronische Fälle (die im Schlachthof am häufigsten festgestellt werden) sind durch fibröse Verwachsungen zwischen dem Lungen- und dem Rippenfell gekennzeichnet. Diese Verwachsungen des Lungengewebes führen häufig dazu, dass ein Teil des Organs an der Thoraxwand haften bleibt, wenn die Lunge vom Schlachtkörper entfernt wird, was zu seiner Verwerfung führt. In einem solchen Fall stellen die Verklebungen von Lungengewebe einen Befund mit hohem Schweregrad dar.
Scoring-Systeme für Lungenläsionen sind einfache und nicht-invasive Methoden, die auf relativ kostengünstige Weise (es wird kein zusätzliches Material benötigt) Informationen über Prävalenz und Ausdehnung (aber nicht über die Inzidenz) liefern. Es handelt sich jedoch auch um nicht bestätigende (keine ätiologische Diagnose) und subjektive (Schulung erforderlich) Schätzungen, die schwer zu organisieren sein können (vor allem, wenn Schweine in mehreren Lastwagen zum Schlachthof gebracht werden oder wenn unerwartete Änderungen der Ankunfts- oder Schlachtzeiten eintreten) und infolgedessen kostspielig und für die Begutachter zeitaufwändig sind.
Es gibt eine Vielzahl von Scoring-Systemen für CVPC-Lungenläsionen, von denen die meisten auf einer visuellen Beurteilung des betroffenen Lungengewebes (in Punkten oder Prozentsätzen) basieren (Tabelle 1). Andere Systeme verwenden einen dreidimensionalen Ansatz, bei dem der prozentuale Anteil des betroffenen Lungengewebes durch das relative Gewicht oder Volumen der einzelnen Lappen normalisiert wird. Ungeachtet der Unterschiede wurde eine gute Korrelation zwischen den am häufigsten im Schlachthof verwendeten CVPC-Beurteilungsmethoden festgestellt. Einige Scoring-Systeme verwenden Diagramme oder Bilder, um die Läsionen zu erfassen, was zwar eine nachträgliche und genaue Analyse ermöglicht, aber unpraktisch ist, da die Innereien extrem schnell durch die Schlachtlinie laufen.
Tabelle 1: Wichtigste Scoring-Systeme für kranioventrale Lungenkonsolidierung (CVPC) (angepasst von Maes et al., 2023)
Methode | Einheit | Gesamtpunktzahl | Parameter zur Beurteilung der Läsion auf Lappenebene |
---|---|---|---|
Goodwin et al., 1969 | Punkte | 0-55 | Läsionsmuster |
Hannan et al., 1982 | Punkte | 0-35 | Lappengröße |
Madec undKobisch (1982) | Punkte | 0-28 | 4 Punkte pro Lappen |
Morrison et al., 1985 | Porzentsatz | 0-100 | Lappengewicht |
Straw et al., 1986 | Porzentsatz | 0-100 | Lappengröße |
Christensen et al., 1999 | Porzentsatz | 0-100 | Lappengewicht und Läsionsmuster |
Ph. Eur.-Methode | Porzentsatz | 0-100 | Lappengewicht |
Sibila et al., 2014 | Porzentsatz | 0-100 | Abgrenzung des betroffenen Gewebebereichs auf einem Bild |
Auch für die Pleuritis gibt es mehrere Scoring-Systeme (Tabelle 2).
Tabelle 2: Scoring-Systeme zur Beurteilung von Pleuritis am Schlachthof (angepasst von Maes et al., 2023).
Methode | Wichtigste Parameter | Punktzahl | Klassifizierung |
---|---|---|---|
Madec und Kobisch (1982) | Lokalisation, Ausdehnung und Größe (Durchmesser) der Pleuraläsion | 0-4 Punkte pro Lappen. Insgesamt 28 Punkte. | 0: keine Pleuritis 1: interlobuläre Pleuritis 2: lokalisierte Pleuritis <2cm 3: verbreite Pleuritis <2cm Durchmesser mit Verklebungen am Brustkorb 4: teilweise oder vollständige Verwachsung mit dem Brustkorb |
CTPA Pagot et al., 2007 |
Ausdehnung und Chronizität der Pleuraläsion | 0-2 | 0: keine Pleuritis 1: fibrinöse Pleuritis 2: verbreitete Pleuritis: Die Lunge kann nicht aus dem Schlachtkörper entfernt werden. |
Pointon et al., 1992 |
Art der Verklebungen und Vorliegen einer Lungenentzündung | 0-2 |
0: keine Pleuritis
2: Pleuritis (Verklebungen der Lunge mit der Brustwand):
|
SPES Dottori et al., 2007 |
Lokalisierung, Ausdehnung der Pleuraläsion | 1-4 Punkte pro Lappen. Insgesamt 28 Punkte. | 1: kranioventrale Läsion: interlobäre Pleuritis oder am ventralen Rand der kaudalen Lappen 2: dorso-kaudale einseitige fokale Läsion 3: beidseitige Läsion des Typs 2 oder ausgedehnte einseitige Läsionen (mindestens ein Drittel eines Unterlappens) 4: mehrere ausgedehnte bilaterale Läsionen (mindestens ein Drittel eines Unterlappens) |
CTPA: System des Centre Technique des Productions Animales
SPES: Slaughterhouse Pleurisy Evaluation System
- Das von Madec und Kobisch (1982 ) beschriebene System bewertet die Pleuraläsion mit einer Punktzahl von 0 bis 4, wobei die höchste Punktzahl vergeben wird, wenn ein Teil des Brustkorbs oder der gesamte Brustkorb mit der Lunge verklebt ist.
- Das Slaughterhouse Pleurisy Evaluation System (SPES) bewertet die Pleuraläsionen ebenfalls auf einer Skala von 0 bis 4, berücksichtigt jedoch ihre Lokalisation, Ausdehnung und Größe (Durchmesser).
- Die Methode des Centre Technique des Productions Animales (CTPA) unterscheidet nur zwischen fibrinösen Pleuritiden zwischen den Lungenlappen und Pleuritiden, die Verklebungen mit dem Brustkorb verursachen.
- Das Pointon-System (Pointon et al., 1992) unterscheidet die interlobuläre Pleuritis von der Pleuritis mit Verklebungen am Brustkorb und berücksichtigt dabei auch das Vorliegen einer Lungenentzündung.
Die Auswahl des am Schlachthof anzuwendenden Scoring-Systems sollte nach folgenden Kriterien erfolgen:
- Merkmale der Schlachtlinie: Geschwindigkeit, Ablaufgestaltung und Zugänglichkeit
- Tolerierung der Probenentnahme durch den Schlachthof (für eine genauere Auswertung oder zur Diagnosebestätigung)
- Art der zu beurteilenden Läsionen
- Anzahl der zu beurteilenden Tiere
- verfügbare personelle Ressourcen für die Durchführung dieser Beurteilung
Die Verwendung von Sprachaufzeichnung zur Erfassung der Läsionsscores kann eine große Hilfe sein, um eine manuelle Palpation der Lungen auch bei einer hohen Geschwindigkeit der Schlachtlinie zu ermöglichen. Auf künstlicher Intelligenz basierende Methoden zur automatischen Beurteilung von Lungenläsionen können dazu beitragen, den Prozess zu automatisieren und zu objektivieren. Diese Systeme befinden sich jedoch noch in der Entwicklung, da sie trainiert und angepasst werden müssen, um das Bild einer hängenden und sich in Bewegung befindlichen entnommenen Lunge zu erfassen und zu analysieren.
Kurze Zusammenfassung des Artikels: Review on the methodology to assess respiratory tract lesions in pigs and their production impact. Maes D, Sibila M, Pieters M, Haesebrouck F, Segalés J, de Oliveira LG. Vet Res. 2023 54(1):8. doi: 10.1186/s13567-023-01136-2.