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Klinischer Fall: Durchfallprobleme bei Absetzferkeln in Osteuropa

Das zuständige Tiergesundheitsteam der Ferkelaufzuchtbetriebe meldete schwere Probleme mit Durchfall bei den zuletzt gelieferten Ferkelgruppen aus den Zuchtbetrieben.

5 August 2013
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Vorstellung des Unternehmens

Der Praxisfall spielte sich bei einem rumänischen Unternehmen im Südosten Europas ab, das in einer vollständigen Integration wirtschaftet. Das Unternehmen wurde vor einigen Jahren gegründet. Die Grundlage bildeten zunächst alte Stallungen aus der Zeit des Kommunismus, die daraufhin für die Nutzung moderner Zuchtschweine grundlegend umgebaut wurden. Danach investierten die Besitzer in einen weiteren Anbau und Neubauten, sodass in Zusammenarbeit mit großen Firmen für Stallhaltungssysteme neue Ställe und Mastanlagen errichtet werden konnten. In die Sauenbetriebe wurden 10.000 Jungsauen von einem englischen Zuchtunternehmen eingestallt. Diese Sauen waren mit einem Meishan-Anteil von 20% gezüchtet, wodurch sie hervorragende Muttereigenschaften und ein ruhiges Temperament zeigten. In den vergangenen fünf Jahren wurde der Sauenbestand mit dem Zukauf von 2.000 Sauen aus deutscher Genetik weiter aufgestockt. Die Ferkel dieser Sauen zeigten zwar ein besseres Wachstum und eine bessere Futterverwertung, allerdings waren die Sauen unruhiger und aggressiver.

Einige der Sauenstandorte sind PRRSV-positiv (EU-Stamm), andere sind wiederum negativ. Außerdem sind die meisten Standorte positiv gegen viele endemisch vorkommende Krankheiten in Europa, wie z.B. Influenza, Lawsonia und Schweinedysenterie.

Die Zuchtsauen und Jungsauen werden mit kommerziellen Impfstoffen gegen E. coli (Fimbrienantigen K88 [F4], K99 und 987P), Parvovirus, Erysipelothrix rhusiopathiae [Rotlauf] und Leptospiren geimpft. Um die PCV2b assoziierten Erkrankungen zu kontrollieren, werden die Ferkel im Alter von 2 Wochen gegen das Porzine Circovirus mit einem one-shot Impfstoff geimpft. Dabei erhalten diese auch eine Impfung gegen Mycoplasma hyopneumoniae.

Wie bereits erwähnt, stellt das Unternehmen ein vollständig geschlossenes System dar, deshalb ist auch ein großer Futtermittelhersteller und ein moderner Schlachthof an die Produktion angeschlossen. Aufgrund dieser Strukturen ergibt sich ein mehrstufiges Management in verschiedenen Bereichen. Das für die Futtermühle verantwortliche Management entschied sich, einige EU-Richtlinien über Futterzusätze vollständig umzusetzen. Deshalb wurde die Dosis für Zinkoxid im Absetzfutter auf unter 200 ppm gesenkt.

"Wean-to-finish" Betriebe

Die Ferkel werden mit 24 Tagen abgesetzt und zu einem sog. "Wean-to-finish"-Betrieb transportiert. D.h. dort findet sowohl die Ferkelaufzucht als auch die Mast statt. Aufgrund der hohen Produktionskapazitäten erhält jeder Betrieb wöchentlich 2.000 Absetzferkel. Die Standorte liegen vollkommen getrennt voneinander und sind über 20 km von einem anderen schweinehaltenden Betrieb entfernt. Abbildung 1 zeigt die typischen Stallungen für die Absetzferkel bzw. Mastschweine von außen.

Krankheitsausbruch

Das zuständige Tiergesundheitsteam der Ferkelaufzuchtbetriebe meldete schwere Probleme mit Durchfall bei den zuletzt gelieferten Ferkelgruppen aus den Zuchtbetrieben.

Typische Stallanlagen für die Aufzucht und Mast in Osteuropa.

Abbildung 1. Typische Stallanlagen für die Aufzucht und Mast in Osteuropa.

Um das Problem genau zu untersuchen, wurde ein Team von Tierärzten und Technikern zusammengestellt und ein Bestandsbesuch bei einem Standort vereinbart.

Dabei wurden die Heizsysteme, die Betriebshygiene und die Lüftung überprüft. Des Weiteren wurden die Aufzeichnungen über die Mortalität innerhalb der einzelnen Produktionsstufen genau analysiert. Während des Rundgangs konnten auf den Spaltenböden einiger Buchten Spuren von Durchfall beobachtet werden (siehe Abbildung 2).

Wässriger, gelber Kot bei 5 Wochen alten Absetzferkeln.

Abbildung 2. Wässriger, gelber Kot bei 5 Wochen alten Absetzferkeln.

Die Untersucher konnten somit klinisch bestätigen, dass zahlreiche Ferkel 7 bis 14 Tage nach dem Absetzen einen wässrigen, gelben Durchfall entwickelten. Die Schweine machten dabei zwar noch einen halbwegs aufmerksamen Eindruck, trotzdem stieg die Mortalitätsrate an.

Es wurden einige Kotproben von Tieren aus den betroffenen Buchten genommen und zusätzlich wurden vier Tiere mit schweren Durchfallsymptomen seziert. Dabei fielen besonders die mit einer wässrig-gelben Flüssigkeit gefüllten und dilatierten Darmabschnitte auf (Abbildung 3).

Sektionsbild eines Absetzferkels; auffallend sind die dilatierten Abschnitte des Dünn- und Dickdarms.

Abbildung 3. Sektionsbild eines Absetzferkels; auffallend sind die dilatierten Abschnitte des Dünn- und Dickdarms.

Die frischen Kot- und Darmproben wurden zur weiteren Untersuchung an ein Labor geschickt. Die Differentialdiagnosen zu diesem Zeitpunkt lauteten: E. coli, Salmonella, PCV, Lawsonia, TGE, PED, Rotavirus.

Nach einigen Tagen kamen die Ergebnisse der kulturellen Untersuchung des Darmes: hochgradiger Gehalt an Laktose-positiven, Indol-positiven, Oxidase-negativen und beta-hämolysierenden, gramnegativen coliformen Keimen auf Blut- und McConkey-Agar. Die Agglutination verlief positiv beim Test auf K88 [F4] Fimbrien, was typisch für enterotoxische Escherichia coli (ETEC) ist.

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Veterinary Laboratories AgencyAA

Veterinary Laboratories Agency
Niederlassung Osteuropa

Eingangsdatum 07/09/2010
Probendatum 29/08/2010

Spezies / Rasse Schwein / LW Landrasse
Geschlecht / Alter gemischt / 4 Wochen
Proben Kot 10x, Darm 4x
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Bericht 1a und 2

Spezies Proben Ref Material Isolat Isolat Ref
Schwein 4 Wochen alt Kot hämolysierende E. coli spp. IS23-00173
4 Wochen alt DD hämolysierende E. coli spp. IS23-00174

Ein Resistenztest für die hämolysierenden E.coli spp. wurde von Tier Nr. 00174, 4 Wochen alt, durchgeführt.

Test-Ergebnisse: S - Sensibel R - Resistent

Antibiotische Substanz Plattengehalt Ergebnis
Apramycin 15 µg S
Spectinomycin 25 µg S
Neomycin 10 µg S
Amoxicillin / Clavulansäure 30 µg S
Trimethoprim / Sulphamethoxazole 25 µg S
Ampicillin 10 µg S
Enrofloxacin 5 µg S
Tetracyclin 10 µg R

Bemerkungen:

  1. Mikroorganismen, die sensibel auf Neomycin reagieren, sind auch sensibel auf Framycetin.
  2. Ampicillin und Amoxicillin haben eine vergleichbare Wirkung.
  3. Enrofloxacin stellt die Leitsubstanz der Fluorchinolone dar (Danofloxacin, Marbofloxacin und Enrofloxacin).
  4. Innerhalb der Gruppe von Tetracyclinen besteht allgemein eine Kreuz-Resistenz.

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Interpretation der Ergebnisse

Die klinischen Symptome, die Sektions- und die Laboruntersuchungen deuten darauf hin, dass eine Infektion mit enterotoxischen Escherichia coli (ETEC) bei den Ferkeln nach dem Absetzen stattfand. Diese führt zu Veränderungen an den Darmzellen, woraus schließlich der wässrige, gelbe Durchfall resultiert. Die durchgeführte Muttertierschutzimpfung gegen E. coli dient dazu, dass die Sauen mit der Milch ausreichende Antikörperspiegel auf die Ferkel übertragen, sodass diese gegen ETEC im Saugferkelalter geschützt sind. Allerdings wirkt diese maternale Immunität nicht mehr gegen ETEC Infektionen bei den abgesetzten Ferkeln, da die maternalen Antikörper bis dahin verbraucht sind und keine neuen mehr aufgenommen werden können.

Mit der Einführung einer standardmäßigen Supplementierung von Zinkoxid zum Starterfutter in therapeutischen Dosen (1.500 bis 3.000 ppm) konnte das Auftreten klinischer ETEC Infektionen bei Absetzferkeln seit 1980 auf einen niedrigen Stand reduziert werden. Zinkoxid besitzt spezielle antibakterielle Eigenschaften, indem es zu einer Zerstörung und Deformierung der bakteriellen Zellmembran führt. Dadurch können Zellbestandteile austreten und das Bakterium stirbt ab. Allerdings ist der Einsatz von Zinkoxid durch aktuelle europäische Richtlinien stark reglementiert worden, weshalb weniger Zinkoxid in den Betrieben eingesetzt wird.

In diesem Fall führte die Reduktion von Zinkoxid unter die therapeutisch wirksame Dosis schnell zu Ausbrüchen klinischer ETEC Infektionen.

Durchgeführte Maßnahmen

Die Absetzferkel wurden mit wirksamen Antibiotika entsprechend des Resistenztests über das Trinkwasser und Futter behandelt, um die Todesfälle und wirtschaftlichen Verluste einzudämmen. Neomycin-Sulfat wurde an mehreren Standorten eingesetzt, allerdings zeigten die Tiere keine klinische Verbesserung. Colistin wird immer wieder als Mittel der Wahl zur Bekämpfung von Coli-Infetionen angesehen, ohne dass Anzeichen von Resistenzen innerhalb der europäischen Isolate beobachtet werden. Durch das Ausmaß dieses Krankheitsgeschehens wäre die Colistin-Therapie allerdings sehr teuer und durch den 2- bis 3-wöchigen Verlauf mit einem rezidivierenden Charakter an mehreren Aufzuchtstandorten wäre sie zudem logistisch schwer durchführbar.

Deshalb wurde dem Absetzfutter zu Beginn der Aufzucht wieder Zinkoxid in therapeutischen Dosen nach tierärztlicher Verschreibung zugesetzt, wodurch innerhalb von 2 Wochen die klinischen Symptome und Verluste an allen Standorten verschwanden.

Die Klinik bei einigen Ausbrüchen ließ zudem vermuten, dass auch Verotoxin (Shiga-like Toxin) positive Stämme in bestimmten Betrieben vorkamen.

E. coli und ETEC Stämme sind endemisch auftretende Keime, die in den meisten Schweinebeständen vermutlich in den Buchten, Stallgängen, Güllegruben, usw. vorkommen. Durch diesen endemischen Charakter kann es immer wieder zu Krankheitsausbrüchen kommen, wenn bestimmte Kontrollmaßnahmen nicht mehr oder nicht konsequent durchgeführt werden.

Bei der Entwicklung einer wirksamen Impfung gegen ETEC Infketionen bei abgesetzten Ferkeln wurden in der Vergangenheit immer mehr Fortschritte erzielt, sodass zukünftig die Impfung dabei helfen kann, den Zinkoxid- und Antibiotika-Einsatz weiter zu senken. Als Beispiel soll hier ein kanadischer Impfstoff erwähnt werden. Dieser beinhaltet eine Reinkultur avirulenter E. coli Bakterien, ohne Toxine. Wird dieser Impfstoff den Ferkeln oral verabreicht, haften die "Impf-Coli-Stämme" an den Darmzellen und stimulieren somit das Immunsystem des Schweines. Dadurch werden Antikörper gebildet, die vor einer Kolonisierung von pathogenen ETEC Bakterien im Darm schützen.

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