Die Porzine Circovirose oder in jüngster Zeit "systemische Erkrankung durch PCV2" (PCV2-SD = systemic disease) genannt, ist eine relativ neue Krankheit, die 1996 als Erstes in Kanada durch Dr. John Harding und Dr. Edward Clark beschrieben wurde. Dennoch weiß man heute durch retrospektive Studien, dass eine Infektion mit PCV2 in Schweinen schon seit 1962 in Deutschland stattfand und die Krankheit in Europa schon seit Mitte der 80er Jahre vorkam.
Tabelle 1. Mit PCV2 assoziierte Krankheiten: kürzlich vorgeschlagene Bezeichnungen, ersetzte Terminologie und Diagnostikkriterien.
PCVD (Kurzwort) | Ersetzte Terminologie | Diagnose |
PCV2 systemic disease = systemische Erkrankung (PCV2-SD) |
Postweaning multisystemic wasting syndrome (PMWS), Porzine Circovirose, PCV2 assoziierte systemische Infektion |
1. Kümmern, merkbarer Gewichtsverlust, blasse Haut, Respirations- oder Verdauungsstörungen. 2. Mittelgradige bis schwere Lymphozytendepletion mit granulomatöser Entzündung in Lymphgeweben. 3. Mittlerer bis hoher Gehalt an PCV2 in den Läsionen. |
PCV2 lung disease = Lungenerkrankung (PCV2-LD) |
PCV2 assoziierte respiratorische Erkrankung, Proliferative und nekrotisierende Pneumonie (PNP) |
1. Atemnot, Dyspnoe. |
PCV2 enteric disease = Darmerkrankung (PCV2-ED) |
PCV2 assoziierte Enteritis |
1. Diarrhoe. 2. Granulomatöse Enteritis und Lymphozytendepletion mit granulomatöser Entzündung in den Peyer´schen Platten (aber in keinem anderen Lymphgewebe). 3. Mittlerer bis hoher Gehalt an PCV2 in der intestinalen Schleimhaut/Peyer´schen Platten. |
PCV2 reproductive disease = Reproduktionserkrankung (PCV2-RD) |
PCV2 assoziierte Reproduktionsstörung |
Abortierte und mumifizierte Ferkel/Feten: 1. Reproduktionsstörungen in der Spätträchtigkeit. 2. Fibrinöse bis nekrotisierende Myokarditis der Feten. 3. Mittlerer bis hoher Gehalt an PCV2 im Herzen. Der Gebrauch der real-time quantitativen PCR zur Detektion der Erkrankung ist sensitiver in Gewebeproben der Feten. Regelmäßiges Umrauschen: 1. PCV2 Serokonversion und/oder positive PCR gegen PCV2 um den Umrauschzeitpunkt. |
PCV2 subklinische Infektion (PCV2-SI) |
keine |
1. Verringerte tägliche Zunahmen ohne klinische Symptome. |
Porzine Dermatitis und Nephropathie Syndrom (PDNS)* |
keine |
1. Dunkelrote Hautflecken vor allem an den Hintergliedmaßen und der Perianalgegend. 2. Hämorrhagische und nekrotisierende Hautläsionen und/oder geschwollene und blasse Nieren mit generalisierten kortikalen Petechien. 3. Systemisch nekrotisierende Vaskulitis mit nekrotisierender oder fibrinöser Glomerulonephritis. |
* PDNS wird mit PCV2 in Verbindung gebracht, auch wenn es als eine Immunkomplex-vermittelte Krankheit betrachtet wird und die Ätiologie noch nicht eindeutig geklärt wurde.
PCV2-SD als systemische Erkrankung ist eine multifaktorielle Erkrankung, die Ferkel im Absetz- und Mastalter betrifft. Gekennzeichnet ist sie durch verringerte Gewichtszunahmen mit variabler Morbidität und einer hohen Mortalität. In kürzester Zeit wurden das weltweite Ausmaß dieser Krankheit und der wirtschaftliche Einfluss in der Schweineproduktion erkennbar. Deshalb stand sie im Zentrum der Aufmerksamkeit. Während der letzten 16 Jahre in Koexistenz mit dieser Krankheit erlangten wir mehr Wissen über die PCV2-SD und PCV2 Erkrankungsbilder, die von Minute zu Minute zunahmen und gemeinsam als PCV2 assoziierte Krankheiten (oder PCVDs = Porcine Circovirus Diseases/Krankheiten) bezeichnet wurden (Tabelle 1). Genau genommen hat die Kommerzialisierung von Impfstoffen gegen PCV2 ab dem Jahr 2004 in einigen Länder und ab 2006/2007 in vielen Teilen der Welt dazu beigetragen, diese Liste noch zu erweitern, da sie eindrucksvolle Ergebnisse gezeigt haben, die über die erwarteten Verbesserungen innerhalb der Produktionsparameter hinausgingen. Obwohl zunächst die PCV2-SD für die bedeutendste und bekannteste Form gehalten wurde, glaubt man heute, dass das Virus noch mehr schädliche Auswirkungen auf den Betrieb hat und dass es die Tiere in allen Produktionsstufen betreffen kann. In diesem Sinne stieg auch die Wahrnehmung für die Effekte der subklinischen PCV2 Infektion (PCV2-SI), denn obwohl sie keine klinischen Symptome auslöst, ist es die am häufigsten anzutreffende Situation in den Betrieben. Der Einfluss auf die Produktionsverluste lässt sich durch den Einsatz von Impfstoffen messen. Ein weiteres Krankheitsbild ist die PCV2 Reproduktionserkrankung (PCV2-RD), für die verschiedene Reproduktionsstörungen, abhängig vom Zeitpunkt der Infektion (Tabelle 2), beschrieben worden sind.
Tabelle 2. Reproduktionsstörungen im Zusammenhang mit PCV2 nach dem Zeitpunkt der Infektion des Feten während der Trächtigkeit.
Zeitpunkt der Infektion des Feten während der Trächtigkeit |
Folgen für die Reproduktionsparameter |
1.-35. Tag |
Absterben des Embryos Regelmäßiges Umrauschen Scheinträchtigkeit Kleine Würfe |
35.-70. Tag |
Mumifizierte Feten Aborte |
70.-115. Tag |
Mumifizierte Feten Totgeburten Lebensschwache Ferkel Verschleppte Geburten Aborte |
Heute betrachtet man die PCV2-SD durch den Gebrauch von Impfstoffen als eine leicht zu kontrollierende Krankheit. In der gleichen Weise wurden positive Effekte der Impfung gegen PCV2-SI und PCV2-RD beschrieben. Und in der Tat ist der Gebrauch von Impfstoffen weit verbreitet. Vor jeder Impfung müssen wir einschätzen, ob positive Effekte gegen die auf unserem Betrieb vorhandenen PCVDs zu erwarten sind und anschließend die Wirtschaftlichkeit dieser Maßnahme bewerten. Wir müssen dabei die Komplexität bei der Etablierung eines Impfplanes berücksichtigen, wenn an die verschiedenen Formen der PCVDs, an andere auf dem Betrieb vorhandene Krankheiten und an die übrigen Impfungen, die den Tieren verabreicht werden, gedacht werden soll. Außerdem müssen die Möglichkeiten der Handhabung, die Verfügbarkeit von Arbeitskräften und die Kosten im Hinterkopf behalten werden.
Die Impfung wird heute als ein effektives und wirtschaftliches Instrument zur Kontrolle der PCV2-SD angesehen, zusätzlich sind auch Verbesserungen der Produktionsparameter in Fällen von PCV2-SI und PCV2-RD beschrieben worden. Trotzdem sollten weitere Maßnahmen, die gegen die Krankheit wirken, wie Arbeitsabläufe, Betriebsstrukturen, Regeln zur Biosecurity, Bekämpfung anderer Krankheiten, sowie andere Faktoren, die einen Einfluss auf die Krankheit haben könnten und die angeboren sind, wie die Genetik und das vermehrte Vorliegen von PCV2-SD in kastrierten Schweinen, nicht vergessen werden.