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Klinischer Fall: Futtermittelvergiftung durch Alkaloide bei Mastschweinen

In mehreren Beständen eines großen spanischen Schweineproduzenten traten plötzlich erhöhte Verluste auf.

Am 20. August 2013 wurden wir darüber informiert, dass in mehreren Beständen eines großen spanischen Schweineproduzenten plötzlich erhöhte Verluste auftraten. Zwischen dem 16. und 20. August wurden die sechs betroffenen Standorte mit einer neuen Futtercharge beliefert. Das neue Futter wurde in Futtersilos gefüllt, die zum Teil noch Restmengen an altem Futter enthielten. Deshalb könnte die erste Aufnahme der neuen Futtercharge zeitlich verzögert zwischen einigen Stunden und 3-4 Tagen gelegen haben.

Tote Schweine im Bestand

Klinische Symptome und Sofortmaßnahmen

Im Rahmen der Bestandsuntersuchungen wurden ausführliche Vorberichte aufgenommen und Untersuchungen an kranken bzw. verendeten Schweinen durchgeführt. Folgende Symptome konnten dabei beobachtet werden:

  • Teilweise Futterverweigerung bei den Schweinen. Bis zu dem Zeitpunkt war die Futteraufnahme nach Auswertung der Futterkurven normal.
  • Auftreten von Erbrechen bei einem Großteil der Schweine.
  • Veränderter Kot mit vermehrt flüssigem Inhalt.
  • Bewusstseinsstörungen in Form von Apathie und Somnolenz.
  • Hohe Verlustrate.
  • Umfangsvermehrte Abdomen ("Blähbauch", Meteorismus). Die sezierten Tiere zeigten im Dünndarm vermehrt Gasansammlungen.
  • Blutstauung und gerötete Darmwände im Dünn- und Dickdarm.
  • Klinische Anzeichen für Erkrankungen des Atmungstraktes, ZNS, Haut und Bewegungsapparates wurden nicht beobachtet.

Wässriger Kot mit Blutbeimengungen

Wässriger Kot mit Blutbeimengungen.

Blutstauung und gerötete Darmwände im Dünn- und Dickdarm

Blutstauung und gerötete Darmwände im Dünn- und Dickdarm.

Veränderter Kot mit vermehrt flüssigem Inhalt

Wässriger Kot.

Tote Schweine im Bestand
Verendete Schweine mit aufgeblähtem Abdomen.

Aufgrund des klinischen Bildes (zum Teil passend zum Bild einer Futtermittelvergiftung) und der Tatsache, dass die unterschiedlichen Bestände außer der zeitgleichen Belieferung mit neuem Futter keine Gemeinsamkeiten aufwiesen und in letzter Zeit keine antibiotischen Behandlungen und auch keine Impfungen durchgeführt wurden, veranlassten wir den sofortigen Lieferstopp der neuen Futtercharge und leiteten folgende Sofortmaßnahmen auf den betroffenen sechs Betrieben ein:

  • Schließen der Zuleitung zu den Futterautomaten.
  • Entleerung und Entfernung von Futterresten aus den Futterautomaten.
  • Entleerung der Futtersilos und Lagerung der Restmengen in Säcken.
  • Neue Futterbestellung mit der Mischung, die vor dem 20. August verwendet wurde.
  • Beschickung der leeren Futtersilos mit der neuen Futtermischung.
  • Öffnung der Zuleitung zu den Futterautomaten.

Die klinischen Symptome, welche je nach Bestand mehr oder weniger schwer ausfielen, begannen nach etwa 36-48 Stunden abzuklingen. Ab dem 24. August traten keine neuen Fälle mehr auf.

Weiterführende Untersuchungen

Aufgrund unseres Verdachtes, dass die neue Futtercharge die Ursache des Problems war, leiteten wir weiterführende Untersuchungen ein:

  • Nährstoffanalyse des verdächtigen Futters mittels NIR-Technik: alle Parameter im Normbereich.
  • Mikrobiologische Untersuchung des verdächtigen Futters: keine Auffälligkeiten.
  • Untersuchung von Mykotoxingehalten im verdächtigen Futter (Auto-Scan-ELISA-Technik): Werte unterhalb der Grenzwerte.
  • Untersuchung der Ausgangskomponenten NIR-Technik: alle Parameter im Normbereich.
  • Anfrage der Futterformulierung und der Produktionsberichte beim Futtermittelhersteller. Unser Fokus lag dabei auf einem bestimmten Rohstoff, der nicht in den vorherigen Chargen verwendet wurde: Lupine (Körnerleguminose), die als pflanzliche Eiweißquelle eingesetzt wird. Die Probe, die wir von der Futtermühle erhielten, bestand aus einer Mischung aus australischen (klein und gepunktet) und spanischen (groß, flach und blass) Lupinensorten mit unterschiedlichem Mischungsverhältnis. Der Anteil in den Futtermischungen für die Läufer bzw. Mastschweine betrug 5% bzw. 7,5%. Der Gehalt an Alkaloiden als antinutritive Faktoren (ANF) wurde als mögliche Ursache des Problems untersucht. Dabei wurden Werte von 0,91% mittels HPLC nachgewiesen. Der Grenzwert für das Schwein liegt bei 0,20%.
  • Aus diesen Ergebnissen zogen wir die Diagnose, dass es sich bei dem beschriebenen Fall um eine Futtermittelvergiftung mit Alkaloiden gehandelt hat.

Mischung aus australischen (klein und gepunktet) und spanischen (groß, flach und blass) Lupinensorten

Mischung aus australischen (klein und gepunktet) und spanischen (groß, flach und blass) Lupinensorten.

Auswertung des klinischen Bildes

Mortalität: Im Bestand Nr. 5 waren die leichtesten Schweine eingestallt. Am Liefertag der neuen Futtercharge (16. August) waren die Futtersilos fast komplett leer, sodass die Schweine noch am selben Tag mit der Futteraufnahme des belasteten Futters begannen. Die ersten Verluste traten am 19. August auf und verschlimmerten sich am 20. August. Dieser Bestand war am stärksten betroffen und diente somit als Alarmauslöser für die anderen ebenfalls mit dem Futter belieferten Bestände. Dadurch konnte das Futter schneller entfernt und die Verlustrate gesenkt werden (<2% im Vergleich zu >20% in Bestand Nr. 5).

Tabelle 1. Anzahl der Verluste pro Bestand.

Bestand Anzahl der Verluste Lebendgewicht der Schweine (kg)
1 20 80
2 16 100
3 27 90
4 12 45
5 223 25
6 11 95
309

Anzahl der Verluste pro Mastbestand
Grafik 1. Anzahl der Verluste pro Mastbestand.

Folgende

Schlussfolgerungen

lassen sich aus dem vorliegenden Fall ziehen:

  • Plötzliche Todesfälle in mehreren Beständen zur gleichen Zeit mit den gleichen klinischen Symptomen müssen zusammenhängend analysiert und interpretiert werden.
  • Man muss unterscheiden zwischen einem perakuten Verlauf einer Infektionskrankheit und einer Futtermittelvergiftung (Fieber?).
  • Sowohl die klinischen Symptome als auch die erhobenen Befunde aus der Sektion toter Schweine sind wichtig für die Einleitung weiterführender Untersuchungen.

Take-Home-Message

:

  • Futtermittelvergiftungen sind eher selten.
  • Bei perakuten Symptomen ohne Anzeichen eines Infektionsgeschehens muss das Futter gewissenhaft untersucht werden.
  • Nur durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Landwirt, Tierarzt, Futtermittelhersteller und Labor können Probleme schnell gelöst und somit die wirtschaftlichen Folgen so gering wie möglich gehalten werden.

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