Beginn, Aktivierung und Regulierung von Entzündungen sowie von angeborener und spezifischer Immunantwort und auch von Akute-Phase-Reaktionen sind weitgehend auf kleine Polypeptide, die im Allgemeinen als Zytokine bezeichnet werden und an spezifische Rezeptoren der Zielzellen binden, zurückzuführen.
Zytokine werden von vielen, möglicherweise sogar allen Arten von Zellen sezerniert, insbesondere aber von aktivierten Lymphozyten und Makrophagen als Reaktion auf verschiedene Stimuli.
Die Zytokinsynthese ist ein kurzlebiges, streng gesteuertes Phänomen, das in strikter Abhängigkeit von der Anwesenheit eines Fremdstoffes oder eines Stimulus erfolgt. Sobald die Zytokine synthetisiert sind, werden sie rasch sezerniert, entfalten ihre Wirkung und werden, ohne dass sie akkumulieren, verwertet. Außerdem ist aufgrund der hohen Affinität ihrer Rezeptoren nur eine minimale Dosis an Zytokinen erforderlich, um einen biologischen Effekt auszuüben.
Zytokine können autokrine Wirkung haben, wenn sie mit Rezeptoren derselben Zelle interagieren, die sie produziert hat, oder aber parakrine Wirkung, wenn sie auf Zellen in unmittelbarer Nähe wirken. Zudem können sie eine endokrine Wirkung ausüben, und zwar in ähnlicher Art und Weise wie die "klassischen" Hormone, die in den Blutkreislauf gelangen und entfernte Zellen und Gewebe erreichen und auf diese wirken können.
Zytokine wirken nur selten im Alleingang; oft werden verschiedene Zytokine zusammen sezerniert und beeinflussen sich gegenseitig. Zytokine können auf unterschiedliche Zelltypen wirken (Pleiotropismus) und bedingen, je nach Fall, ähnliche oder unterschiedliche Reaktionen. Andererseits ist es auch möglich, dass mehrere Zytokine auf eine Zelle wirken und in dieser die gleiche Funktion hervorrufen (redundanter Effekt).
Manche Zytokine können miteinander kooperieren (synergistischer Effekt) oder aber sich gegenseitig antagonisieren (antagonistischer Effekt). Die Fähigkeit eines Zytokins, die Aktivierung anderer Zytokine zu fördern oder aber zu supprimieren, ist von fundamentaler Bedeutung für die positive oder negative Regulierung der Mechanismen der Immunantwort oder der Entzündungsreaktion.
Um wirken zu können, binden Zytokine an spezifische Rezeptoren an der Zelloberfläche, und diese Verbindung determiniert die Signalübertragung vom Zytoplasma zum Zellkern, die durch Expression von möglicherweise ruhenden Genen vermittelt wird.
Da Zytokine so wichtige und so vielfältige Funktionen haben, sollten sie auch über effiziente Kontrollmechanismen verfügen, um jeder unkontrollierten Wirkung, die pathologische Folgen nach sich ziehen könnte, vorzubeugen. Zu diesen rezeptoralen Kontrollmechanismen zählen unter anderem: 1) Reduzierung der Rezeptorexpression; 2) Lockrezeptoren, die kein Signal übertragen; 3) lösliche Rezeptoren, aufgrund der Abspaltung der extrazellulären Domäne des Rezeptors, der Zytokine außerhalb der Zelle bindet; 4) Rezeptorantagonisten, die mit dem Zytokin um die Bindung an den Rezeptor konkurrieren und keine Signalübertragung aktivieren; 5) Antagonistenzytokine mit hemmender Funktion (antiinflammatorische Zytokine) sind in der Lage, die Synthese von Aktivierungsrezeptoren zu verringern oder die Kontrollmechanismen zu steigern.
Die an der angeborenen und der erworbenen (spezifischen) Immunabwehr beteiligten Zytokine werden in mehrere Hauptgruppen eingeteilt:
- Interleukine (IL); eine große heterogene Gruppe von Zytokinen mit breitgestreuten Funktionen und Wirkung auf Leukozyten. Bis 2017 sind 38 Interleukine entdeckt worden und wurden entsprechend numeriert.
- Tumor-Nekrose-Faktor (TNF): zwei verwandte Zytokine, von denen eine Gruppe hauptsächlich von Makrophagen (TNF-α), die andere von T-Lymphozyten produziert wird (TNF-β). Die Bezeichnung "Tumor-Nekrose-Faktor" stammt von der Fähigkeit dieser Zytokine, eine Apoptose (programmierter Zelltod) der Krebszellen zu induzieren, obwohl TNF-α zahlreiche proinflammatorische und immunologische Funktionen besitzt.
- Interferone (IFN): Man unterscheidet Typ-1-Interferone (IFN-α, IFN-β) und Typ-II-Interferone (IFN-γ). Dabei handelt es sich um Proteine, die im Rahmen der angeborenen Immunabwehr gegen Viren (Typ-I-IFN) bzw. von TH1-Zellen produziert werden (IFN-γ).
- Wachstumsfaktoren: Viele Zytokine haben bedeutende Wirkung auf die Proliferation von Immunzellen, so z.B. IL-2, IL-3, IL-5, IL-7 und auch einige koloniestimulierende Faktoren (CSF) wie G-CSF, M-CSF und GM-CSF. TGF-β besitzt einen immunregulatorischen/inhibitorischen Effekt.
- Chemokine sind eine große Familie von Polypeptiden, die bei Entzündung und Immunantwort für die Rekrutierung und Chemotaxis von Leukozyten und Lymphozyten eine Rolle spielen. Die wichtigsten Chemokine sind: 1) IL-8, spezifische Chemokine für Neutrophile; 2) MCP-1, die Monozyten rekrutieren und aktivieren; 3) MIP-1a, die Monozyten, NK-Zellen und T-Lymphozyten rekrutieren; 4) RANTES, die für die Rekrutierung von Monozyten, NK-Zellen, T-Lymphozyten und Basophilen sowie Eosinophilen verantwortlich sind; 5) Eotaxin, das Eosinophile rekrutiert.
Tabelle 1. Einteilung der Zytokine nach ihrer hauptsächlichen Funktion im Immunsystem
Funktionen | Zytokine |
Beginn und Aufrechteraltung der Entzündungsreaktion/angeborenen Immunabwehr | IL-1, TNF-α, IFN-α/β, IL-8, IL-6, IL-15, IL-18, IL-12 |
Spezifische Immunregulation | TREIBENDE ZYTOKINE TH1-treibende Zytokine: IL-12, IL-18 TH2-treibende Zytokine: IL-4 TH17-treibende Zytokine: IL-6, IL-23 |
EFFEKTORZYTOKINE TH1-Zyytokine: IL-2, IFN-γ TH2-Zytokine: IL-4, IL-5, IL-13 TH17-Zytokine: IL-17, IL-21 Treg: IL-10, TGF-β |
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Rekrutierung von Entzündungszellen/Immunzellen | Chemokine (IL-8, MCP-1, MIP-1, RANTES, Eotaxin) |
Steuerung und Abschalten von Entzündungsreaktion und Immunantwort | IL-10, TGF-β |
Proliferation und Differenzierung von Immunzellen | GM-CSF, IL-2, IL-7, IL-15 |
Tabelle 2. Funktionen der wichtigsten an der Regulierung des Immunsystems beteiligten Zytokine
Zytokin | Wichtigste produzierende Zellen | Funktionen |
IL-1 | Epithelzellen, infizierte Zellen, Neutrophile, Makrophagen | Aktivierung von Entzündungszellen/Zellen der angeborenen Immunabwehr und endothelialen Zellen; Fieberinduktion |
TNF-α | Epithelzellen, infizierte Zellen, Neutrophile, Makrophagen, NK-Zellen | Aktivierung von Entzündungszellen/Zellen der angeborenen Immunabwehr und endothelialen Zellen; endokrine Wirkung; induziert katabole Effekte |
IL-8 | Epithelzellen, Endothelzellen und Zellen der angeborenen Immunabwehr | Rekrutierung und Aktivierung von Neutrophilen |
IL-6 | Endothelzellen, Neutrophile, Makrophagen | Aktivierung von Entzündungszellen/Zellen der angeborenen Immunabwehr und endothelialen Zellen; endokrine systemische Wirkung mit Induzierung kataboler Effekte |
MCP-1 | Epithelzellen, Endothelzellen und Zellen der angeborenen Immunabwehr | Rekrutierung und Aktivierung der Monozyten |
IFN-α/β | Infizierte Zellen | Antivirale Funktion; Aktivierung der Zellen der angeborenen Immunabwehr; Induktion der Adhäsionsmoleküle; Steigerung der MHC-Expression dendritischer Zellen |
IFN-γ | NK-Zellen, γ/δ-T-Lymphozyten, TH1-Lymphozyten, zytotoxische T-Lymphozyten (CTL) | Wichtige Rolle bei der zellvermittelten Immunabwehr gegen intrazelluläre Pathogene; Aktivierung von Makrophagen, NK-Zellen, CTL, Aufrechterhaltung der TH1-Differenzierung |
IL-15 | Dendritische Zellen | Proliferation und Aktivierung von NK- und NKT-Zellen; verlängertes Überleben von T-Gedächtniszellen |
IL-12 | Dendritische Zellen, Makrophagen | TH1-Induktion |
IL-18 | Dendritische Zellen, Makrophagen | TH1-Induktion; proinflammatorische Wirkung |
IL-17 | TH17-Lymphozyten | Proinflammatorische Wirkung; Rekrutierung und Aktivierung von Neutrophilen; Anstieg antimikrobieller Peptide |
IL-22 | TH17-Lymphozyten | Zusammen mit IL-17 Förderung einer akuten Neutrophilen-vermittelten Entzündung |
IL-10 |
M2-polarisierte Makrophagen; Treg-Lymphozyten, TH2-Lymphozyten |
Antiinflammatorische und immunsuppressive Funktion |
TGF-β | Treg-Lymphozyten, TH2-Lymphozyen | Antiinflammatorische und immunsuppressive Funktion |
IL-2 | T-Lymphozyten | Proliferation und Aktivierung von T- und B-Zellen; Aktivierung von NK-Zellen |
IL-4 | TH2-Lymphozyten | TH2-Zytokine: Stimulation und Wachstum von B-Zellen, Induktion der IgA- und IgE-Sekretion |
IL-5 | TH2-Lymphyozten | An der Produktion von Eosinophilen beteiligte TH2-Zytokine |