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Kontrolle der Darmflora und der Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern durch genetische Selektion

Die genetische Selektion kann ein Instrument zur Verbesserung der Darmgesundheit sein und dazu beitragen, den Einsatz von Antibiotika in der Schweineproduktion zu reduzieren.

Die bakterielle Resistenz gegenüber Antibiotika ist ein weltweites Problem. Der massive Einsatz von Antibiotika in der industriellen Schweineproduktion ist eine der Ursachen für die derzeitige Zunahme resistenter Bakterien. Insbesondere Darminfektionen erfordern den Einsatz großer Mengen Antibiotika, weshalb die Verbesserung der Darmgesundheit beim Schwein große Auswirkungen auf den Antibiotikaverbrauch hätte.

Das mikrobielle Leben im Darm spielt eine Schlüsselrolle bei der Darmgesundheit

Die Darmgesundheit hängt von vielen Faktoren wie beispielsweise der Verdauung und der Aufnahme der Nährstoffe, den Magen-Darm-Erkrankungen und der Zusammensetzung der Darmflora ab. Die Darmflora ist eine komplexe und dynamische Gemeinschaft von über 1000 verschiedenen Spezies und von wesentlicher Bedeutung für die Darmgesundheit der Säugetiere. Dieses Mikrobiom hat das Potential, viele der Faktoren zu regulieren, die sich auf die Gesundheit auswirken. Die meisten Bakterien sind für den Wirt von großem Nutzen, da sie beispielsweise die Nährstoffe abbauen, die Wirtsgene aktivieren, die an der Nährstoffaufnahme beteiligt sind, und bei der Vitaminsupplementierung, der Entwicklung des Immunsystems und der Vorbeugung der Ansiedlung durch Krankheitserreger eine Rolle spielen. Dies bedeutet, dass eine ausgewogene Zusammensetzung dieser im Darm lebenden Organismen ein wichtiger Schlüssel für die Kontrolle der Darmgesundheit ist.

Die Besiedlung des Darms hängt von einer Reihe genetischer Faktoren und vielen Umweltfaktoren ab, die wir erst seit kurzem zu verstehen beginnen. Wir müssen unsere Kenntnisse darüber verbessern, wie die Besiedlung zu kontrollieren ist und auf welchen molekularen Mechanismen sie beruht, um die Darmflora zu Gunsten der Darmgesundheit regulieren zu können.

Die Genetik spielt eine große Rolle bei der Kontrolle darüber, welche Mikroorganismen den Darm besiedeln

Durch genetische Erkenntnisse kann möglicherweise die bakterielle Besiedlung reguliert werden und insbesondere scheint eine natürliche Variation des Gens für die α1,2-Fucosyltransferasegen 1 (FUT1) eine wichtige Rolle zu spielen. Der Polymorphismus von FUT1 reguliert die Infektionen durch enterotoxisches E. coli, das F18-Fimbrien besitzt (ETEC F18) (Meijerink et al. 2000). ETEC F18 ist verantwortlich für einen Großteil der Darminfektionen, inbesondere bei gerade abgesetzten Ferkeln. Umfassendere Kenntnisse darüber, wie diese genetische Variation die Darmgesundheit verbessert, wären von großer Bedeutung und könnten dazu beitragen, den Einsatz von Antibiotika in der Schweineproduktion zu reduzieren.

 

FUT1 kontrolliert die Anordnung von Strukturen, die maßgeblich für die bakterielle Besiedlung sind

FUT1 ist ein Enzym, das am Bau spezifischer Saccharide beteiligt ist. Alle Zellen besitzen an ihrer Oberfläche spezielle Erkennungsmoleküle, die es ihnen erlauben, mit anderen Zellen zu interagieren. Nomalerweise bestehen diese Moleküle aus spezifischen Zuckern, die mit bestimmten Proteinen oder Lipiden verbunden sind. Diese Zucker sind auch sehr wichtig für das mikrobielle Leben im Darm, dienen der Verankerung der Mikroorganismen an der Darmwand und stellen gleichzeitig auch eine wichtige Nahrungsquelle für die Mikroorganismen dar (Abb. 1). Eine veränderte Verfügbarkeit dieser Zucker könnte für einige Bakterien sehr wohl fatale Folgen haben.

Wechselwirkungen zwischen Bakterien und Polysacchariden sind wichtig für die Besiedlung des Darms, da sich die Moleküle der Bakterien an spezielle Polysaccharide der Wirtszellen anheften.

Abbildung 1: Wechselwirkungen zwischen Bakterien und Polysacchariden sind wichtig für die Besiedlung des Darms, da sich die Moleküle der Bakterien an spezielle Polysaccharide der Wirtszellen anheften.

Eine kürzliche Studie unseres Forscherteams zeigte, dass eine spezielle Variante des FUT1-Gens die Expression bestimmter Fucose-Saccharide im Darm reguliert (Hesselager et al. 2016). Diese speziellen Saccharidstrukturen sind auch als Blutgruppenantigene bekannt, wobei schon früher Einflüsse auf die Bakterienadhäsion festgestellt wurden (Gagneux und Varki 1999). Allerdings war bisher nicht belegt, dass diese speziellen Zucker an die Proteine der Darmzellen gebunden sind. Dementsprechend unterstützen unsere Feststellungen die Vermutung, dass Fucose-Zucker-Proteine gute Möglichkeiten bieten, die bakterielle Besiedlung des Darms zu manipulieren.

 

Kann die genetische Selektion die Darmgesundheit bei Schweinen verbessern?

Wir haben jetzt eine Folge von Ereignissen festgestellt, die eine natürliche genetische Variation mit speziellen Veränderungen in den Zuckermolekülen des Darms in Beziehung setzen, die ihrerseits wiederum einen direkten Einfluss auf die Gesundheit und die Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern haben (Abb. 2). Diese Erkenntnis öffnet uns die Tür für das bessere Verständnis des Einflusses der Genetik auf die Darmgesundheit und deren Verbesserung durch genetische Selektion.

Die Folge von Ereignissen, die eine bekannte Variation im FUT1-Gen mit Veränderungen der Zuckermoleküle im Darm und einer veränderten Besiedlung des Darms und der Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern in Verbindung bringt.

Abbildung 2:  Die Folge von Ereignissen, die eine bekannte Variation im FUT1-Gen mit Veränderungen der Zuckermoleküle im Darm und einer veränderten Besiedlung des Darms und der Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern in Verbindung bringt.

 

Die genetische Variation von FUT1 führt zur Resistenz gegenüber ETEC F18. Da die Zucker im Darm jedoch als Andockstellen für Mikroorganismen oder als Nahrungsquelle dienen, können andere Mikroorganismen, die eine wichtige Rolle bei der Tiergesundheit spielen, ebenso betroffen sein. Dies bedeutet, dass wir zum vollständigen Verständnis der Auswirkungen dieser Genvariante auf die Gesundheit umfassendere Kenntnisse darüber benötigen, wie die Besiedlung durch andere Bakterien, insbesondere diejenigen, die für eine gesunde Darmflora erforderlich sind, beeinflusst wird.

Daraus lässt sich schließen, dass die genetische Selektion ein wirksames Instrument zur Verbesserung und zum Erhalt der Darmgesundheit in der industriellen Schweineproduktion darstellt und in Zukunft eine nachhaltigere Alternative zum aktuellen massiven Bedarf an Antibiotika bieten könnte.

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