Schweine werden im Laufe ihres Lebens verschiedenen Arten von Stress ausgesetzt. Es gibt Futterstress, sozialen und Umweltstress, aber auch Stoffwechselstress durch hohe Leistung. Einige Phasen gelten als besonders kritisch und können zu einem Zustand führen, der oxidativer Stress genannt wird.
Was ist oxidativer Stress und warum ist er wichtig?
Normalerweise gibt es ein Gleichgewicht zwischen oxidierenden Stoffen, den sogenannten Sauerstoffradikalen (ROS), und den Antioxidantien des endogenen Abwehrsystems gegenüber freien Radikalen. Doch auch kleine Veränderungen im Energiestoffwechsel oder im Immunsystem können das empfindliche Gleichgewicht stören. Dieser Zustand, der durch einen Überschuss an freien Radikalen und/oder einen unzureichenden Schutz durch Antioxidantien gekennzeichnet ist, wird als oxidativer Stress definiert (Dröge, 2002). Oxidativer Stress steht in direktem Zusammenhang mit Entzündungen, da Oxidantien Aktivatoren des nuklearen Transkriptionsfaktors NF-ĸB, des Hauptregulators der Entzündungen, sind (Pantano et al., 2006). NF-ĸB reguliert Proteine wie Zytokine, die die Produktion von Oxidantien durch aktivierte Neutrophile anregen und wiederum den oxidativen Stress fördern. Daraus ergibt sich schließlich ein Teufelskreis. Symptome von oxidativem Stress sind verminderte Immunität, Muskeldegeneration, Appetitlosigkeit, Durchfall, Leberschäden und schließlich der Zelltod. Es wird angenommen, dass oxidativer Stress und damit verbundene Entzündungen an einer Reihe von Erkrankungen bei Schweinen beteiligt sind, wie beispielsweise der Maulbeerherzkrankheit, dem Leaky-Gut-Syndrom, der Lungenentzündung und auch dem MMA-Komplex bei Sauen. Ein Ansatz, der neuerdings diskutiert wird, ist die Rolle von oxidativem Stress, Entzündungen und damit verbundener Apoptose bei der Entwicklung von sekundärem Schwanzbeißen. Kontinuierlicher oxidativer Stress führt zu oxidativen DNA-Schäden. Um die Homöostase im gesamten Organismus zu gewährleisten, müssen geschädigte Zellen beseitigt werden. Dies geschieht durch programmierten Zelltod (Kannan & Jaine, 2000). Wenn es zu viele abgestorbene Zellen gibt, die typischerweise an den Ohrspitzen und Schwänzen der Ferkel auftreten, ändert sich der Geruch, wodurch andere Ferkel angezogen werden.
Faktoren, die oxidativen Stress auslösen
In der Absetzphase zeigen Ferkel oft Wachstumsdepressionen und sind anfälliger für Krankheiten, – ein Phänomen, das als Stresssyndrom nach dem Absetzen bezeichnet wird (Campbell et al., 2013). Während dieser Zeit kommt es zu sozialem und Umweltstress, da Ferkel von ihrer Mutter getrennt und in andere Ställe verlegt werden, während der Futterstress darauf zurückzuführen ist, dass leicht verdauliche Sauenmilch durch überwiegend pflanzliches Festfutter ersetzt wird. Futterstress ist in der Regel auf eine schlechte Futterqualität zurückzuführen. Aufgrund des noch nicht voll entwickelten Verdauungssystems benötigen Ferkel ein leicht verdauliches Futter. Unverdautes Protein gelangt in den Enddarm und steht dort pathogenen Bakterien zur Verfügung, was zu Entzündungen und oxidativem Stress führen kann (Amarakoon, 2017). Oxidierte Fettquellen, Mykotoxine und verschiedene Antinutritive Faktoren (ANF) in Soja, der wichtigsten pflanzlichen Proteinquelle, die bei Ferkelfutter verwendet wird, können direkt oder indirekt durch Auslösung einer Entzündung im Darm zusätzlichen oxidativen Stress hervorrufen. Während bei der Wahl von Sojaproteinquellen Trypsininhibitoren und Oligosaccharide in der Regel berücksichtigt werden, wird das Antigen Beta-Conglycinin nicht erwähnt, obwohl es als Teil der Immunantwort auf das Antigen nachweislich oxidativen Stress und Entzündungsprozesse hervorruft. (Chen et al., 2011; Xu et al., 2010).
Schweine erleben oxidativen Stress außerdem als Sauen in der späten Phase der Tragzeit und bei starker Laktation. Die Umstellung vom anabolen zum katabolen Stoffwechsel ist eine enorme Belastung für die Tiere. Ähnlich wie bei Milchkühen gibt es einen drastischen Anstieg des Energieeinsatzes, der für den Beginn der Milchsynthese erforderlich ist, insbesondere da die Ferkelzahlen steigen und mehr Milch benötigt wird. An der Milchsynthese sind mehrere Stoffwechselreaktionen beteiligt und während dieses Vorgangs bilden sich in den Mitochondrien reaktive ROS als Nebenprodukte der Elektronentransportkette (Sordillo & Aitken, 2009). Es hat sich gezeigt, dass oxidativer Stress und oxidative DNA-Schäden am Ende der Tragzeit und während der Laktation bei Sauen dramatisch zunehmen (Berchieri-Ronchi et al., 2011).
Maßnahmen zur Reduzierung von oxidativem Stress bei Schweinen
Wenn es um Maßnahmen zur Reduzierung von oxidativem Stress geht, sollte der Fokus darauf liegen, den Futterstress zu reduzieren. Hochwertiges Futter, das geringe Mengen an Antinutritiven Faktoren (ANF), Mykotoxinen und oxidierten Fettsäuren enthält, ist ein absolutes Muss. Neuere Versuchsergebnisse haben gezeigt, dass Ferkel, die mit Starterfutter gefüttert wurden, das leicht verdauliches Sojaprotein mit niedrigen ANFs und insbesondere niedrigem Beta-Conglycinin-Gehalt enthielt, weniger oxidativen Stress und einen besseren Entzündungsstatus im Vergleich zu Schweinen zeigten, die mit anderen Sojaquellen gefüttert wurden (Ma et al., 2018, Bayer et al, 2019). Dies wurde durch höhere Gehalte an Plasma-Gluthathionperoxidasen (GPX), Superoxiddismutasen (SOD) und höhere Plasma-Vitamin-E-Spiegel angezeigt, die alle Komponenten des endogenen Abwehrsystems gegenüber freien Radikalen sind.
Wenn der oxidative Stress nicht mit futterbedingtem Stress, sondern mit Hochleistungsstress und/oder umweltbedingten oder sozialen Stressoren zusammenhängt, die nicht verändert werden können, kann die Aufnahme bestimmter Futterzusatzstoffe eine Lösung sein. Oft werden die Vitamin-E-Werte erhöht, um oxidativen Stress abzubauen. Zur Reduzierung des oxidativen Stresses werden außerdem auch verschiedene Polyphenole wie Resveratrol, Catechine, Quercetin oder Curcumin diskutiert (Landete, 2013, Menon & Sudheer, 2007). Während es Studien gibt, die zeigen, dass Polyphenole zu einem besseren oxidativen Status bei Nutztieren führen (Zhou et al., 2016; Männer et al, 2017), werden sie auch in Zusammenhang mit der direkten Blockierung von NF-ĸB und somit der Herabregulation von Entzündungsgenen diskutiert (Gessner et al., 2013).
Welcher Weg auch immer gewählt wird, wird die Verringerung von oxidativem Stress und den damit verbundenen Entzündungen gleichwohl nicht nur zu gesünderen Tieren und einem besseren Tierschutz, sondern auch zu höheren Leistungen führen. Denn wenn das Immunsystem weniger gefordert ist, stehen mehr Eiweiß und Energie zur Förderung des Ferkelwachstums zur Verfügung (Klasing, 2004).