Eine Berufskrankheit ist jede Krankheit, die ein Beschäftigter durch seine berufliche Tätigkeit erleidet, bei der er besonderen Krankheitserregern oder negativen Einwirkungen in erheblich höherem Maß ausgesetzt ist als die übrige Bevölkerung. So war die Silikose z.B. aufgrund der langfristigen Exposition gegenüber dem Staub in den Minen die Berufskrankheit der Bergleute. Ein weiteres Beispiel ist der lärminduzierte Hörverlust bei Personen, die ohne Gehörschutz an lauten Maschinen arbeiten.
Aber auch bei der Arbeit in der gesamten Schweinefleischversorgungskette können beschäftige Personen durch ihren direkten Kontakt mit Schweinen (lebend oder als Karkassen) in jedem einzelnen Stadium der Schweinefleischproduktion dem Risiko für eine Berufskrankheit ausgesetzt sein. So können Landwirte, Tierärzte oder Lebendtiertransporteure von einem Tier gebissen werden, aber abgesehen von dieser physischen Gefahr können Schweine Träger von Infektionskrankheiten sein, die für Menschen potenziell ansteckend sind und durch engen Kontakt mit dem infektiösen Tier oder über Handhabungen am Tier übertragen werden (Abbildung 1). Der Expositionsgrad im Schweinebetrieb oder beim Transport hängt weitgehend vom Produktionstyp ab; In kommerziellen Betrieben mit hunderten oder tausenden von Tieren besteht in der Regel kein enger Kontakt zu den Schweinen, und wenn, dann schützen sich die Personen durch Tragen entsprechender Schutzkleidung. In einkommensschwachen Ländern, wo Schweine vorwiegend in kleinen Betrieben mit extensiven Produktionssystemen und Umweltkontakt aufgezogen werden, kommt es deutlich häufiger zur Übertragung von Infektionskrankheiten vom Schwein auf den Menschen. Dazu zählen ein weites Spektrum an Wurmerkrankungen sowie Brucellose oder Infektionen mit zoonotischen Schweineinfluenzaviren (Tabelle 1).
Tabelle 1: Ausgewählte durch Schweine übertragene Zoonosen mit Schwerpunkt auf Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen.
Vorwiegend durch Schweinefleisch übertragene Zoonosen | Vorwiegend in der Schweineproduktion übertragene Zoonosen |
Übertragung durch orale Aufnahme von im Fleisch enthaltenen Krankheitserregern (z.B. Trichinella spp.) oder über den Kontakt mit an der Oberfläche des Fleisches vorhandenen Pathogenen (z.B. Cryptosporidium spp.) durch kontaminiertes Wasser bei der Verarbeitung der Karkassen. |
Übertragung über die Luft (z.B. Coxiella burnetii), Haut (z.B. Brucella suis) oder Vektoren (Trypanosoma spp.), insbesondere bei Personen, die berufsbedingt häufig diesen Übertragungswegen ausgesetzt sind. Bacillus anthracis |
*Die Autoren erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Liste.
Die meisten Infektionen mit Erregern von Berufskrankheiten erfolgen im Rahmen der Schlachtung, wenn Personen potenziell infiziertes Fleisch oder Körperflüssigkeiten handhaben. Die zwei wichtigsten Krankheiten werden nachstehend beschrieben.
1. Schweinerotlauf beim Menschen
Der Rotlauf des Schweines wird vom Bakterium Erysipelothrix rhusiopathiae verursacht. Träger des Erregers sind viele Säugetiere sowie Fische und Vögel, doch stellen Schweine das wichtigste Reservoir dar. Das Bakterium kann bis zu einem Monat auch im Boden überleben. Schweine infizieren sich durch orale Aufnahme des Erregers mit kontaminiertem Boden oder Wasser, während die Infektion des Menschen durch Eindringen des Bakteriums in die Haut über kleine Kratzer oder Wunden erfolgt. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist besonders hoch beim Schlachtvorgang bzw. bei der Weiterverarbeitung der Karkassen, wenn der Schlachter ohne entsprechende Schutzkleidung (wie z.B. Kettenhandschuhe) mit spitzen/scharfen Objekten (wie Haken oder Messern) hantiert und dabei mit infiziertem Fleisch, infiziertem Nasenausfluss, Harn oder Kot in Berührung kommt. Beim Schwein kann die Infektion verschiedene Läsionen verursachen, von denen im akuten Stadium rautenförmige, rote Hautveränderungen die charakteristischten sind (sogenannte Backsteinblattern; im englischen Sprachraum wegen der rhomboiden Form auch "diamond skin disease" genannt) (Abbildung 2).
Beim Mensch kann die Infektion selbstlimitierend sein und binnen ein bis zwei Wochen abklingen. Es kann allerdings auch zu einer schmerzhaften Hautinfektion kommen, die als Erysipeloid bezeichnet wird und oft die Hände betrifft, Die Krankheit ist gut mit Antibiotika behandelbar. Unbehandelt kommt es beim Erysipeloid zu Fieber, Gelenkschmerzen, Septikämie und im schlimmsten Fall zum Tod infolge einer Infektion des Herzens. In Mitteleuropa ist der Rotlauf des Schweines kein häufiges Problem mehr, da ein Impfstoff gegen die für den Rotlauf verantwortlichen Bakterienstämme verfügbar ist und in den meisten Betrieben auch weitgehend eingesetzt wird. Außerdem ist das Tragen von Schutzkleidung am Schlachthof Pflicht. Zudem ist der Gesundheitszustand der Bevölkerung generell recht gut, sodass die Empfänglichkeit für Infektionen geringer ist. In Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen hingegen scheint der Rotlauf zunehmend eine Berufskrankheit bei Schlachtern, Fleischern und anderen Personen, die mit rohem Schweinefleisch hantieren, zu sein (Musewa et al., im Druck), da dort die Schweine- und Schweinefleischproduktion relativ ungeregelt abläuft und die potenziell immunkompromittierte Bevölkerung ein erhöhtes Infektionsrisiko aufweist (z.B. aufgrund der Mangelernährung oder durch Vorliegen von Krankheiten, die das Immunsystem schwächen). Das Bakterium lässt sich leicht durch entsprechendes Kochen zerstören. Dennoch sollte allen Personen, die mit rohem Schweinefleisch umgehen oder dieses verarbeiten, das Risiko einer Infektion mit Rotlauf bewusst sein.
Infektion mit Streptococcus suis
Auch gesunde Schweine tragen in der Regel das Bakterium in Nase und Maul sowie im Verdauungs- und Urogenitaltrakt. Manche Stämme (insbesondere Serotyp 2) verursachen beim Schwein allerdings schwere Erkrankungen. Alle Personen, die Kontakt mit lebenden Schweinen (Landwirte, Tierärzte, Tiertransporteure, Schlachthofangestellte) oder rohem Schweinefleisch haben (Schlachter, Fleischinspektoren, Schweinefleischtransporteure, Köche) sind diesem Krankheitserreger ausgesetzt. Das Bakterium dringt über kaum sichtbare, kleine Stich- oder Kratzverletzungen in die Haut des Menschen ein und vermehrt sich in der Folge im Blut (Hughes et al., 2009). Dies kann beim Menschen zu Septikämie und einer Infektion des Gehirns führen, was bei fehlender Behandlung eine dauerhafte Taubheit bewirken kann. Wie es scheint, herrschen in den verschiedenen geographischen Regionen unterschiedliche Stämme vor. So verursachen z.B. asiatische Stämme offensichtlich größere gesundheitliche Schäden als Stämme aus westlichen Ländern. Dennoch kommen auch in den industrialisierten Ländern Todesfälle aufgrund einer Infektion mit S. suis vor. Ein Impfstoff wurde bislang weder für Schweine noch für Menschen entwickelt, doch lässt sich die Infektion nach erfolgter Diagnose bei beiden Spezies mit Antibiotika behandeln.
Schlussfolgerungen
Es gibt noch sehr viel mehr Krankheiten, die beim Menschen durch Schweinefleisch entstehen können. Zu solchen ernährungsbedingten Infektionen kann es nur kommen, wenn das Schweinefleisch verzehrt wird. Dazu zählen unter anderem Infektionen mit Campylobacter, Listeria, Salmonella, Yersinia oder toxigener Escherichia coli sowie Staphylococcus aureus und Mycobacterium avium intracellulare-Komplex (MAIC). Verbraucher sollten bei der Zubereitung von Schweinefleisch dieselben Regeln beachten wie professionelle Köche, nämlich: niemals dieselben Messer für rohes und gekochtes Fleisch bzw. für Fleisch und Gemüse verwenden, Schutz der Haut gegen Schnittverletzungen oder Kratzer, Vermeiden jeder Berührung des Mundes während des Kochens und gründliches Händewaschen mit heißem Wasser und Seife nach Beendigung der Speisenzubereitung.