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Sind Sie oft niedergeschlagen und trübsinnig? Bitte beachten Sie dann die folgenden Hinweise.

Die Selbstmordrate bei Landwirten ist über sechsmal so hoch wie bei allen anderen Arbeitnehmern. Aber belastende Arbeitsbedingungen müssen nicht in Selbstmord enden.

Als ich vor einiger Zeit meinem Vater half, einen Schrank auszuräumen, stieß ich auf ein Gewehr, mit dem eine traurige Geschichte verbunden war. 1934, mitten in der schweren Weltwirtschaftskrise, bat die Frau unseres Nachbarn meinen Vater, das Gewehr fortzuschaffen, nachdem ihr Mann es benutzt hatte, um sich umzubringen. Die Bank war im Begriff, ihm seinen Betrieb zu nehmen, da er seine Schulden nicht mehr bezahlen konnte, und er konnte es nicht ertragen, den Betrieb zu verlieren, in dem schon sein Urgroßvater gearbeitet hatte.

2001 war ich während des Ausbruchs der Maul- und Klauenseuche in Nordengland. Man tötete und verbrannte haufenweise Vieh. In den darauffolgenden Monaten waren die Selbstmordraten bei den Landwirten in dieser Region drastisch gestiegen. Sie konnten es nicht ertragen, die Tötung ihrer Herden und der genetischen Linie mitanzusehen, die sie ein Leben lang aufgebaut hatten.

Es ist seit langem bekannt, dass Selbstmord ein erhöhtes Risiko unter Landwirten darstellt. In extremen Belastungssituationen erreichen die Raten ihren Höhepunkt. Als Professor für öffentliche Gesundheit haben ich und andere Kollegen diesen Anstieg dokumentiert und veröffentlicht. Die Selbstmordrate bei Landwirten ist über sechsmal so hoch wie bei allen anderen Arbeitnehmern. Dies ist ein weltweites Phänomen. Warum ist das so?

Michael Rosman, PhD ist klinischer Psychologe und Landwirt. Er beriet viele Landwirte am Rande des Abgrunds und bietet mehrere Theorien an, die durch wissenschaftliche Beweise untermauert werden. Diese Faktoren wurden zusammen mit präventiven Methoden überprüft (Donham, 2016). Bisher wissen wir Folgendes:

  • Landwirte auf der ganzen Welt sind sich kulturell und soziologisch betrachtet recht ähnlich. Die Landwirtschaft ist für die Landwirte nicht nur ein Job, sondern eine Lebensform. Konflikte, die diese Lebensform bedrohen, erzeugen bei den Landwirten Stress. Solche Bedrohungen können Tierseuchen, wirtschaftliche Einbußen oder Angst vor dem Verlust des Betriebs, öffentliche Vorschriften, die die Landwirtschaft schwieriger machen, ein Ausfall von Maschinen und extreme Witterungsbedingungen sein.
  • Langfristiger, unkontrollierter Stress kann zu Depressionen führen. Langfristige Depressionen können ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit auslösen, was im schlimmsten Fall wiederum Selbstmord zur Folge haben kann.
  • Die Landwirte sind im Allgemeinen unabhängige und stoische Menschen, die lieber keinen Arzt aufsuchen, sofern es ihnen nicht wirklich sehr schlecht geht. Wenn es um ihre psychische Gesundheit geht, vermeiden es Landwirte aufgrund des damit verbundenen Stigmas noch mehr, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen als bei körperlichen Beschwerden.
  • Selbst wenn ein Landwirt psychologische Hilfe in Anspruch nehmen möchte, ist es schwierig, entsprechende Anlaufstellen zu finden, da im ländlichen Raum die Gesundheitsversorgung im Allgemeinen und insbesondere im psychischen Bereich mangelhaft ist.
  • Die Bedingungen in jüngster Zeit haben unter den Landwirten sogar zu noch mehr Stress geführt. Dazu zählen die folgenden Umstände:
    • Unwetter wie beispielsweise Dürren und Waldbrände in Australien, Hurrikans und Überschwemmungen in den USA oder extreme Hitze in Skandinavien im vergangenen Jahr.
    • Angesichts der Kluft zwischen Stadt und Land kritisiert die Stadtbevölkerung die Landwirte für die Umweltverschmutzung und eine grausame und unmenschliche Tierhaltung.
    • Die Afrikanische Schweinepest in China und anderen südostasiatischen Ländern erzeugt Stress aus Angst vor ihrer Ausbreitung in die EU und nach Nordamerika.
    • Und natürlich gibt es nun auch COVID-19. In Nordamerika (und ich nehme an, auch an anderen Orten) hat COVID-19 zur Schließung mehrerer Schweinefleischverarbeitungsbetrieben geführt, was eine Überbelegung der Ställe zur Folge hatte. Folglich mussten Schweine eingeschläfert werden und man hat Angst davor, weitere Tiere töten zu müssen, weil es keinen Platz mehr für die Unterbringung der überschüssigen Schweine gibt, die in der Produktionskette anfallen. Darüber hinaus hat COVID-19 einige Mitarbeiter landwirtschaftlicher Betriebe infiziert, was zu einer Verringerung der Arbeitskräfte geführt hat, die sich um das Vieh kümmern.

Stress hat Auswirkungen auf die Seele selbständiger Landwirte und der landwirtschaftlichen Betriebe. Die sozialpsychologischen Prozesse mögen bei landwirtschaftlichen Großbetrieben und selbständigen Landwirten zwar unterschiedlich sein, aber es kann durchaus auch Ähnlichkeiten geben. Diese Vergleiche wurden jedoch noch nicht durchgeführt.

Da der Stress im landwirtschaftlichen Sektor in den letzten Jahren zugenommen hat, haben Experten für Medizin und Sicherheit in der Landwirtschaft Informationen zu Präventivmaßnahmen bereitgestellt. Belastende Arbeitsbedingungen müssen nicht in Selbstmord enden.

Der Schlüssel zur Prävention ist das Stressmanagement. Was man verstehen und sich zu Herzen nehmen muss, ist, dass ein einzelner Landwirt das Gefühl haben kann, dass er die Faktoren, die zu seinem Stress beitragen, nicht kontrollieren kann. Der Fokus sollte auf dem liegen, was Sie kontrollieren können. Hier sind einige Möglichkeiten, um die Kontrolle zu gewinnen:

  • Leiden Sie nicht im Stillen. Sprechen Sie mit Ihrem Ehepartner oder Partner, Ihrem Banker und Ihren Freunden. Ein Programm heißt „Von Landwirt zu Landwirt". Wir haben Landwirte und andere Menschen, die Kontakt zu Landwirten haben (wie Tierärzte, Fahrer von Viehtransportern, Lieferanten und Anbieter von Dienstleistungen), ausgebildet, um Depressionen bei ihren Nachbarn und Kunden, die Landwirte sind, zu erkennen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, um professionelle Hilfe zu erhalten. Die Landwirte hören sehr wahrscheinlich eher auf andere Landwirte.
  • Finden Sie die Hauptprobleme der Belastung, die man steuern kann. Wenn der Stress beispielsweise auf eine wirtschaftlich angespannte Lage zurückzuführen ist, sprechen Sie mit Ihrem Bankangestellten, um einen Plan auszuarbeiten, mit dem man die Herausforderung bewältigen kann.
  • Achten Sie auf Ihre allgemeine Gesundheit. Achten Sie darauf, gesund zu essen, sich ausreichend zu bewegen und acht Stunden guten Schlaf zu bekommen und vermeiden Sie Drogen oder Alkohol, um Ihren Stress zu verdrängen. Halten Sie den Kontakt zu Ihren Freunden aufrecht. Üben Sie Ihren Glauben oder Ihre Religion aus, ganz gleich, welchen bzw. welche. Kümmern Sie sich um Ihre Familie. Mit COVID-19 und sozialer Distanzierung ist der direkte Kontakt zu anderen Menschen zwar eine Herausforderung, aber Sie können auch Ihr Telefon oder Ihren Computer benutzen, um Ihre Freunde zu kontaktieren. Das ist wichtig. Tun Sie‘s!
  • Hier sind einige Fragen, die Sie sich stellen müssen:
    • Fühlen Sie sich den größten Teil des Tages oder fast jeden Tag traurig, leer und verzweifelt? Haben Sie das Interesse oder die Freude an Ihren Hobbys oder an der Gesellschaft mit Freunden und Familie verloren? Haben Sie Schlaf- oder Essprobleme oder Schwierigkeiten, Ihre Arbeit zu erledigen? Wenn Sie sich seit mindestens 2 Wochen so fühlen, könnten Sie an einer Depression, einer ernsten, aber behandelbaren Stimmungsstörung, leiden. Einzelheiten zu diesen Informationen finden Sie auf der Website des National Institute for Mental Health.
  • Leugnen Sie Ihre Situation nicht. Wenn Sie auf die obigen Fragen mit Ja geantwortet haben, ist es am besten, professionelle Hilfe zu suchen. Es ist oft am besten, mit Ihrem Hausarzt zu beginnen. Ein Besuch beim Hausarzt ist mit weniger Stigma verbunden und dieser kann Sie an einen Facharzt überweisen, sofern dies notwendig ist.

Wenn Sie öfter niedergeschlagen und trübsinnig sind, nutzen Sie bitte diese Informationen und tun Sie etwas dagegen. Die Welt braucht heute in Zeiten von COVID-19 mehr denn je gesunde Landwirte und Familien.

Im Folgenden finden Sie zusätzliche empfohlene Hilfen zur Prävention.

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Australien

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