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Klinischer Fall: Vermutlicher Fall des Post-Weaning Failure-to-Thrive Syndrome (PFTS)

In den letzten vier Absetzgruppen beobachtete der Betriebsleiter etwa 3% hungernde und teilnahmslose Ferkel. Alle Behandlungsversuche mit Amoxicillin oder Florfenicol per Injektion scheiterten, sodass die Ferkel schließlich verendeten.

Einleitung

Unsere Praxis wurde im Oktober 2011 durch den Betriebsleiter kontaktiert. In seinem Bestand seien bei den 25-38 Tage alten Ferkeln ein starker Rückgang der Wachstumsleistungen und ein Anstieg der Verlustrate zu verzeichnen.

Gesundheitsprobleme zu diesem Zeitpunkt der Aufzucht sind zwar relativ häufig (Colibacillose, Arthritis), allerdings traten die klinischen Symptome ungewöhnlich schnell und stark auf.

Informationen zum Bestand

Der Ferkelerzeuger mit 880 produzierenden Sauen liegt in einer Region mit hoher Schweinedichte (Bretagne, Frankreich). Die Ferkel werden mit 10 Wochen verkauft und anschließend an drei verschiedenen Standorten gemästet.

Die Sauenherde wurde vor zwei Jahren mit Jungsauen aus einem Vermehrungsbestand mit sehr hohem Gesundheitszustand aufgebaut.

Die Besamung der Sauen erfolgt ausschließlich künstlich. Das Sperma wird vor Ort entnommen. Die Sauen sind auf 20 Gruppen im 1-Wochen-Rythmus aufgeteilt. Die Ferkel werden im Durchschnitt mit 21 Tagen abgesetzt.

Der Bestand wird durch einen Betriebsleiter und drei Angestellten versorgt. Alle beteiligten Personen achten auf ein striktes Biosecurity-Management sowohl im Stall als auch nach außen.

bekannter Gesundheitsstatus im Oktober 2011:

- PRRSV: negativ seit Neuaufbau des Bestandes
- Actinobacillus pleuropneumoniae (Serotyp 2 und 1-9-11): negativ
- Aujeszky´sche Krankheit: negativ
- Mycoplasma hyopneumoniae: negativ seit Neuaufbau des Bestandes
- Haemophilus parasuis: positiv sowohl bei den Jungsauen als auch bei den Ferkeln

Prophylaxe- und Impfmaßnahmen:

- Porzines Parvovirus (Jungsauen und Sauen)
- Rotlauf (Jungsauen und Sauen)
- Clostridien und Coli-Infektionen (Jungsauen und Sauen)
- PCV2 (Jungsauen und Sauen)
- Ivermectin (Jungsauen und Sauen)

Situatio n im Oktober 2011

Bestandsuntersuchung

♦ Quarantäne: Der Quarantänestall ist vom Rest des Bestandes getrennt und wird im Rein-Raus-Verfahren belegt. Die Jungsauen stammen vom selben Vermehrer wie bei der Bestandsneugründung vor zwei Jahren. Vorberichtlich traten bei den Jungsauen nach Ankunft immer wieder Probleme mit der Glässerschen Krankheit auf, die aber seit einigen Monaten unter Kontrolle seien. Während der Bestandsuntersuchung konnten keine klinischen Auffälligkeiten beobachtet werden.

♦ Wartestall: Die Trächtigkeitsrate ist gut: 91% in den letzten sechs Monaten. Es wurden keine klinischen Probleme bei den Sauen beobachtet oder vom Betriebsleiter erwähnt.

♦ Abferkelstall: Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse der letzten fünf Monate vor der Untersuchung im Vergleich zu Daten französischer Schweinebestände.

Sauenbestand 01/06/2011 - 14/10/2011 Top 33 % in Frankreich 2010 Top 10 % in Frankreich 2010
abg. Ferkel/Sau/Jahr 31,2 30,4 31,6
ges. geb. Ferkel/Sau 14,52 14,5 14,7
lebend geb. Ferkel/Sau 13,56 13,5 13,8
tot geb. Ferkel/Sau 0,96 0,9 0,9
abg. Ferkel/Wurf 12,19 12 12,3
% Totgeburten 6,6 % 6,4 % 6,1 %
% Saugferkelverluste 10,1 % 11,6 % 10,6 %

Weder bei den Saugferkeln noch bei den laktierenden Sauen wurden während der Untersuchung klinische Auffälligkeiten beobachtet.

Aufzuchtstall/Flatdeck:

Im ersten Jahr nach der Bestandsneugründung traten vermehrt Gelenksentzündungen durch Haemophilus parasuis bei den abgesetzten Ferkeln auf. Zum Zeitpunkt der Untersuchung schien das Problem durch eine metaphylaktische Behandlung mit Amoxicillin (20mg/kg/Tag für fünf Tage nach dem Absetzen) unter Kontrolle zu sein.

In den letzten drei Monaten hatten wir vor allem mit E. coli-Problemen bei den 23-27 Tage alten Ferkeln und 40-45 Tage alten Ferkeln zu kämpfen. Zwei Behandlungen zu diesen Zeitpunkten wurden mit Colistin (3,3mg/kg/Tage für fünf Tage) durchgeführt.

Um den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren, setzt der Betriebsleiter vom ersten bis zum 50. Tag nach dem Absetzen eine bestimmte Einstreu auf den Bodenflächen und Futterautomaten ein. Diese soll Zinkoxid enthalten, allerdings konnten wir die genaue Zusammensetzung am Tag der Untersuchung nicht feststellen.

In den letzten vier Absetzgruppen beobachtete der Betriebsleiter etwa 3% hungernde und teilnahmslose Ferkel. Alle Behandlungsversuche mit Amoxicillin oder Florfenicol per Injektion scheiterten, sodass die Ferkel schließlich verendeten.

Apathische Ferkel mit Appetitlosigkeit während der Bestandsuntersuchung

Apathische Ferkel mit Appetitlosigkeit während der Bestandsuntersuchung

Differentialdiagnosen

Hypothese Pro Kontra
PCV2 (PMWS) kümmernde Ferkel, Mortalität, Zeitpunkt Sehr gutes Management (Kolostrumaufnahme, wenig Versetzen von Saugferkeln oder Mischen nach dem Absetzen)
PRRSV kümmernde Ferkel, Mortalität keine Atemwegsprobleme, keine Reproduktionsstörungen bei den Sauen
E. coli Vorbericht,
kümmernde Ferkel
Kein Durchfall bei den betroffenen Ferkeln
Glässersche Krankheit Vorbericht,
kümmernde Ferkel
keine Atemwegsprobleme, keine Gelenksentzündungen
Porcine periweaning failure-to-thrive syndrome (PFTS) kümmernde Ferkel, Mortalität, Zeitpunkt Selten,
in Europa noch kein Fall zum Zeitpunkt der Untersuchung beschrieben

Laboruntersuchungen

Einige Tage nach dem Ausbruch wurden im November 2011 verschiedene Untersuchungen durchgeführt:

  • serologische Untersuchung auf Antikörper gegen PRRSV bei unterschiedlichen Ferkelgruppen: jeweils 10 Ferkel (4, 6, 8 und 10 Wochen alt). Alle Proben waren seronegativ.
  • Zwei betroffene Ferkel wurden vor Ort seziert. Es wurden keine Veränderungen gefunden, die auf eine E. coli oder Haemophilus parasuis Infektion hindeuten könnten.
  • Zusätzlich wurden zwei weitere Ferkel mit langem Haarkleid und Anzeichen von Anorexie, Schwäche und Kachexie zu einem Untersuchungslabor geschickt. Dort wurde eine Sektion zur Feststellung der Krankheitsursache durchgeführt (besonderes Augenmerk auf PMWS und PFTS):
    • Makroskopische Veränderungen:
      • Atrophie des Thymus
      • Verdauungstrakt: leer
      • blasse Leber
      • blasse Nieren
    • Mikroskopische Veränderungen:
      • Nasenmuscheln: Multifokal lymphohistiozytäre Infiltrationen der Schleimhaut
      • Thymus: Atrophie, aber ansonsten keine bestimmten Auffälligkeiten
      • Magen: Multifokal lymphozytische Infiltrationen der Schleimhaut
      • Darm: zahlreiche bakterielle Ansammlungen; Atrophie der Darmzotten im Dünndarm
Schlussfolgerung

Regenerative Enteritis eventuell bedingt durch eine alte virale Infektion mit Kryptosporidien innerhalb der Läsionen; auffallende Atrophie des Thymus; mittelgradige Anzeichen einer Rhinitis, Gastritis und Colitis.

Nach Aussagen des Pathologen könnten die beobachteten Veränderungen auf PFTS hindeuten, aber keinesfalls auf PMWS.

Aktueller Wissensstand über das Porcine Peri-Weaning Failure-to-Thrive Syndrome (PFTS)

Klinik

Es ist wenig über PFTS bekannt. Wissenschaftliche Publikationen sind erst vor kurzem erschienen.

Eine Veröffentlichung gibt eine Definition des klinischen Zustands [Huang et al. 2011a]: “PFTS ist durch eine progressive Schwächung der Absetzferkel ohne erkennbarer und nachteiliger Infektions-, Management- oder Umweltfaktoren, die das klinische Syndrom erklären könnten, gekennzeichnet. Zum Zeitpunkt des Absetzens weisen die betroffenen Ferkel ein dieser Altersgruppe entsprechendes Gewicht auf und weder die betroffenen noch die anderen Tiere aus der Gruppe zeigen Anzeichen einer aus der Säugezeit bestehenden Krankheit. Innerhalb von sieben Tagen nach dem Absetzen fallen die betroffenen Tiere durch Anorexie und Teilnahmslosigkeit auf. Ihr Zustand verschlechtert sich und innerhalb von zwei bis drei Tagen zeigen die Tiere deutliche Muskelschwäche und Gewichtsverlust. Bei einigen betroffenen Schweinen können wiederholte Maulbewegungen in Form von Lecken, Kauen oder Schmatzen beobachtet werden. Die Morbidität und Mortalität kann von Gruppe zu Gruppe und von Zeit zu Zeit variieren, allerdings ist die Todesrate meist hoch."

Die häufigsten klinischen und pathologischen Befunde sind in Tabelle 3 aufgelistet.

Tabelle 3: Die häufigsten klinischen und pathologischen Befunde im Fall von PFTS

Klinik Pathologische Veränderungen
Anorexie Chronisch aktive Rhinitis
Lethargie/Teilnahmslosigkeit Lymphozytische Gastritis
Stehen aber keine Bewegungslust Atrophische Enteritis
Schniefen Oberflächliche Colitis
Wiederholte Maulbewegungen Atrophie des Thymus

Die in unserem Fall beobachteten klinischen Symptome und pathologischen Veränderungen sind in Rot gekennzeichnet.

Ätiologie

Die Ätiologie von PFTS ist noch unbekannt. Es werden infektiöse Erreger, nicht-infektiöse Faktoren oder beides als Ursache für das Syndrom diskutiert [Huang et al., 2011b].

In unserem Fall fiel der Verdacht auf die in hohem Maße eingesetzte Einstreu, da sie zum Zeitpunkt des Krankheitsausbruchs neu verwendet wurde.

Wir schickten eine Probe an ein Chemielabor, um die Einstreu auf verschiedene Elemente wie Arsen und Blei zu untersuchen, da diese Elemente immer mal wieder als Kontaminanten einiger Zinkoxidquellen gefunden werden. Die Analyseergebnisse sind in Tabelle 4 dargestellt.

Tabelle 4: Befund zur Untersuchung der Einstreuprobe (Schwermetalle / Spurenelemente)

Cadmium mg/kg < 0,50
Quecksilber mg/kg < 0,02
Blei mg/kg 6,78
Arsen mg/kg 7,71

Erklärung “<”: nicht nachgewiesen, unterhalb der Nachweisgrenze

Vorgeschlagene Maßnahmen und Krankheitsentwicklung

Die Einstreu wird in großem Umfang auf dem Bestand eingesetzt. Zum einen sollen damit die Böden getrocknet werden und zum anderen soll einer Colibacillose vorgebeugt werden, weil das Präparat einen hohen Gehalt an Zinkoxid aufweist.

Da für dieses Produkt der Verdacht besteht, dass es für das Krankheitsgeschehen mitverantwortlich sei, wurde dem Betriebsleiter angeraten, es nicht weiter zu verwenden. Stattdessen sollte ein Futterergänzungsmittel mit Mineralstoffen, Vitaminen und Zink-Oxid (in Futtermittelqualität) eingesetzt werden.

Zwei Wochen nach dem letzten Einsatz der Einstreu wurden keine weiteren klinischen Anzeichen des PFTS bei den Ferkeln im kritischen Alter beobachtet.

Diskussion

PFTS sollte man als Differentialdiagnose im Hinterkopf haben, wenn bei abgesetzten Ferkel Anorexie, Kachexie, Schwäche und Verluste beobachtet werden.

Hilfreich für die Diagnose war eine Kombination aus klinischer Symptomatik und histologischer Untersuchung verschiedener Organe (besonders Thymus, Verdauungstrakt, Nasenmuscheln). Das Untersuchungslabor sollte über die klinische Verdachtsdiagnose im Vorfeld informiert werden, um eine gezielte Untersuchung bestimmter Proben einleiten zu können.

Äußerst schwierig gestaltet sich die Suche nach der Ätiologie. Infektiöse Ursachen könnten zwar für das Syndrom verantwortlich sein, in unserem Fall ist dies aber eher unwahrscheinlich.

Vielmehr wurde der Einsatz eines nicht zugelassenen, ungenießbaren Futtermittelzusatzstoffes als Einstreu verdächtigt, da darin hohe Mengen an Blei und Arsen gefunden wurden und für die Ferkel unterschiedliche Kontaktmöglichkeiten gegeben waren: oral, nasal und über die Haut.

Wie genau es zu den beobachteten Veränderungen gekommen ist, ist schwer zu erklären. Das Produkt könnte entweder wegen seines Geschmacks (wenig schmackhaft und unappetitlich) zu einer Fressunlust bei einigen Ferkeln oder zu einer Intoxikation bei den jungen Ferkeln geführt haben (die aufgenommene Menge kann bei den kranken Tieren allerdings nicht gemessen werden).

Leider konnten wir die Hypothese einer Intoxikation nicht abklären lassen, da von den sezierten Ferkeln keine Leber- und Nierenproben an ein spezielles Toxikologie-Labor verschickt wurden.

Nachdem das Produkt nicht mehr verwendet wurde, verbesserte sich die klinische Situation. Aus finanziellen Gründen wollte der Betriebsleiter deshalb auch keine weiteren Untersuchungen mehr einleiten. Allerdings scheint ein kausaler Zusammenhang zwischen der Einstreu und der Klinik wahrscheinlich, da die klinischen Symptome nach Entfernung bzw. Austausch des Produktes nicht wieder auftraten.

Das beschriebene klinische Bild des PFTS in einem französischen PRRSV-freien Bestand ergänzt die kürzlich erfolgte und erste Beobachtung von PFTS in Europa [Segalés et al. 2012]. Diese Veröffentlichung verdeutlicht die Schwierigkeit des Ausschluss einer PRRSV-Beteiligung, aufgrund der hohen Prävalenz von PRRSV in Spanien. Unsere Beobachtung bestätigt, dass das Syndrom nicht notwendigerweise mit einer PRRSV-Infektion im Zusammenhang steht.

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