1) Was sind die wichtigsten Krankheiten, die Wildschweine auf das Hausschwein übertragen können?
Das Wild- und das Hausschwein gehören derselben Gattung an, da das Wildschwein der Vorfahre unseres Hausschweins ist. Folglich können alle Krankheitserreger, die das Wildschwein befallen, auch auf Hausschweine übertragen werden und umgekehrt. Was sind die Hauptprobleme? Dies hängt von der betreffenden Region ab. In Mittel- und Osteuropa ist die Krankheit, die beide Tierarten betrifft und in den letzten Jahrzehnten zu den meisten Problemen geführt hat, wohl die klassische Schweinepest (KSP). Wenn KSP-Ausbrüche beim Wildschwein festgestellt werden, zwingt ihr Auftreten zur obligatorischen Durchführung oraler Impfaktionen. Erfreulicherweise waren diese Interventionen bisher erfolgreich. Aber nun sind wir mit der Afrikanischen Schweinepest (ASF) und der Tuberkulose (TB) zwei noch drängenderen Problemen ausgesetzt. Die Afrikanische Schweinepest breitet sich in den baltischen Staaten, Polen, Russland, Weißrussland und der Ukraine aus. In jüngerer Zeit erreichte sie Rumänien und die Tschechische Republik und sie wird in Zukunft wahrscheinlich auch in weiteren Ländern des europäischen Kontinents Anlass zur Sorge geben. Tuberkulose tritt mittlerweile schon bei Wild- und Hausschweinen in vielen europäischen Ländern, von Großbritannien über die Iberische Halbinsel, Polen und Frankreich bis nach Griechenland auf. Es ist wichtig die Tatsache hervorzuheben, dass Haus- und Wildschweine von allen Krankheiten leider gleichermaßen betroffen sind.
2) Wie hoch ist die Prävalenz dieser Krankheiten in der Wildschweinpopulation?
Die Prävalenz hängt von der Biologie der jeweiligen Krankheitserreger (Viren, Bakterien oder Parasiten), die die Erkrankung verursachen, sowie von der epidemiologischen Situation ab. Sie ist jedenfalls nicht stabil, sondern schwankt räumlich und zeitlich je nach den Wildschweinpopulationen und den Umweltfaktoren wie beispielsweise den Habitateigenschaften und der Verfügbarkeit und Verteilung von Wasser und Nahrung. Im Folgenden möchten wir ASP, TB und Trichinose als Beispiel heranziehen. Die Prävalenz von ASP ist normalerweise niedrig. Sie liegt unter 3%, weshalb man Proben von einer großen Zahl an Wildschweinen entnehmen muss, um das Vorkommen der Krankheit mit Sicherheit nachweisen oder ausschließen zu können. Aus diesem Grund achtet man besonders auf die Sektion toter oder verendender Wildschweine, da bei ihnen die Wahrscheinlichkeit das Virus nachweisen zu können viel größer ist. Das Gleiche gilt für Trichinose, deren Prävalenz extrem niedrig ist. Dennoch werden jedes Jahr neue Fälle festgestellt. Aber da der Zyklus nur durch die Entsorgung der infizierten Tierkadaver unterbrochen werden kann, ist es entscheidend, jeden einzelnen Tierkadaver richtig zu diagnostizieren und jeden befallenen Tierkadaver zu beseitigen. Bei Tuberkulose ist dies anders. In endemischen Gebieten im Südwesten der Iberischen Halbinsel kann die Prävalenz sehr hoch sein und selbst Raten von über 60% erreichen, was selbst unter Wildschweinen nach Entwicklung ausgedehnter Läsionen zu hoher Mortalität führen kann.
3) Was sind die wichtigsten Übertragungswege dieser Krankheitserreger? Ist das Risiko der Übertragung nur für Schweine in Betrieben mit Freilandhaltung von Bedeutung?
Dies hängt wieder von der Krankheit ab. Unter den Wildschweinen kann die Übertragung ebenso wie unter Hausschweinen durch direkten Kontakt, einschließlich dem Verzehr von Aas und Jagdabfällen, auftreten. Die Übertragung vom Wildschwein auf Hausschweine geschieht normalerweise auf indirektem Weg, beispielsweise durch Benutzen der gleichen Wasser- oder Futterstellen. In Situationen, in denen die Schweine im Freien oder mit schlechten Biosicherheitsstandards gehalten werden, könnten die Wildschweine durch rauschige Sauen oder leicht verfügbares Futter vom Betrieb angezogen werden. Bei fehlenden Biosicherheitsvorkehrungen können sporadisch Fälle venerischer Übertragung auftreten, beispielsweise von Brucella suis oder der Aujeszky-Krankheit (AK). Selbst wenn Barrieren vorhanden sind, die den direkten Kontakt zwischen Schweinen und Wildschweinen verhindern, kann dennoch eine Übertragung durch die Luft (beispielsweise bei AK- oder KSP-Viren) oder eine Übertragung durch Aufnahme oder Einschleppung von kontaminiertem Futter oder Infektionsträgern (beispielsweise bei TB-Bakterien oder ASP-Viren) in den Betrieb erfolgen.
4) Haben sich die Zahlen aller Wildschweinpopulationen in Europa erhöht? Warum ist dies so und was ist damit verbunden?
Der Anstieg der Wildschweinpopulationen in Europa ist Realität, was nicht nur schlecht für die Tiergesundheit, sondern auch für die Umwelt, die Straßenverkehrssicherheit, die Landwirtschaft und sogar für das Gesundheitswesen ist. Ein Bericht zu diesem Thema, der Daten aus über drei Jahrzehnten von ca. 20 europäischen Ländern einbezog, kam zu dem Schluss, dass die Wildschweinpopulationen in all diesen Ländern kontinuierlich anstiegen. Die Daten, die von Hr. Jose Luis Garrido (vom Jagdverband in Spanien) mit viel Geduld erfasst wurden, deuten darauf hin, dass sich die Zahl der Wildschweine seit den 1980er Jahren verzehnfacht hat. In der letzten Jagdsaison 2016-2017 wurden über 300.000 Wildschweine erfasst, was auf eine Gesamtpopulation von ca. einer Million Wildschweine schließen lässt. Da wir bisher noch keine Stabilität erreicht haben und, wenn sich das aktuelle Wachstum auch weiterhin fortsetzt, ist darüber hinaus zu erwarten, dass sich diese Population im Jahr 2025 verdoppelt haben wird. Die einzige jüngste Ausnahme ist Estland, wo sich der Trend aufgrund der Mortalität durch ASP in Kombination mit der Intensivierung der Jagd als Mittel zur Bekämpfung der ASP zeitweilig umgekehrt hat. Die Ursachen für dieses Phänomen sind vielfältig und beinhalten Veränderungen bei der Landnutzung, die sich durch größere Gebiete mit Gehölzbewuchs und mehr bewässerte Anbauflächen auszeichnet, sowie eine allmähliche Reduzierung der Zahl an Jägern, was nicht nur in Spanien, sondern auch in ganz Europa zu beobachten ist.
5) Gibt es Pläne zur Kontrolle der Wildschweinpopulation und zur Überwachung ihres Gesundheitszustands?
Die Jagd ist unerlässlich, um die Wildschweinpopulation unter Kontrolle zu bringen: In Europa ist dies der Hauptmechanismus zur Kontrolle der Bestände. Die Populationen werden jedoch weiterwachsen, was darauf hindeutet, dass die Jagd verstärkt werden sollte, um diesen Anstieg wenigstens zu verlangsamen. Dr. Oliver Keuling, ein Experte für Wildschweine an der Universität Hannover, schätzt, dass jedes Jahr 65 % der Wildschweine geschossen werden sollten, um eine stabile Situation aufrechtzuerhalten.
Eine Überwachung findet allerdings immer noch nicht koordiniert und konsequent statt, obwohl deren Notwendigkeit bereits offensichtlich und deren Durchführung eines Tages zu erwarten ist. Bei den Hausschweinen sind der Standort und die Größe der Betriebe bekannt und ihr Gesundheitszustand wird überwacht. Dasselbe sollte auch für Wildschweine durch Überwachung ihrer Zahl und ihres Gesundheitszustands gelten. Während man jedoch damit beginnt, ihre Gesundheit zu überwachen, ist zumindest für einige wichtige Krankheiten wie beispielsweise KSP und ASP die Überwachung der Populationen bestenfalls auf die Kontrolle der Jagdergebnisse begrenzt.
6) Gibt es weitere Wild- oder frei lebende Tiere, die ein grösseres Risijo darstellen?
Für Hausschweine gibt es keine größere Gefahr als andere Schweine, einschließlich Wildschweinen. Es ist jedoch offensichtlich, dass einige Krankheitserreger auch andere Tierarten in der Umgebung, einschließlich Fleischfressern, Vögeln und natürlich Wiederkäuern befallen, unabhängig davon , ob es sich um Haus- oder um Wildtiere handelt.