Die Nutztierhaltung sei nicht in allen Ländern und Regionen der EU gleich stark ausgeprägt, und die Betriebe würden sich zunehmend auf eine Tierart oder einen Produktionsschritt spezialisieren. Außerdem sei ein Trend hin zu weniger und größeren Betrieben und Schlachthöfen zu beobachten. Vor diesem Hintergrund versuchten Landwirte und Fleischerzeuger, die Kosten für Produktion und Schlachtung zu senken, die Einnahmen zu maximieren und größenbedingte Kostenvorteile optimal auszuschöpfen, indem sie die Kostenunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten nutzten. Diese Faktoren stellten einen Anreiz für Tiertransporte dar, insbesondere wenn die Transportkosten nur einen kleinen Teil des Einzelhandelspreises für Fleisch ausmachten.
"Der Transport von lebenden Tieren über lange Strecken kann sich negativ auf das Wohlergehen der Tiere auswirken", so Eva Lindström, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. "Die EU-Rechtsvorschriften über Tiertransporte werden von den Mitgliedstaaten nicht einheitlich durchgesetzt, und es besteht das Risiko, dass Transportunternehmen die in den verschiedenen nationalen Sanktionssystemen bestehenden Schlupflöcher ausnutzen."
Transportunternehmen könnten längere Strecken wählen, um Mitgliedstaaten mit einer strikteren Umsetzung der EU-Vorschriften oder härteren Strafen zu meiden. Für Fleischerzeuger könne aber auch der Verstoß gegen Vorschriften finanziell von Vorteil sein, etwa wenn nicht transportfähige Tiere transportiert würden, da die EU-Länder in der Regel keine abschreckenden Strafen verhängten. Die Prüfer betonen, dass die negativen Auswirkungen von Transporten auf das Tierwohl abgemildert werden könnten, indem die Anzahl an Transporten und deren Dauer verringert sowie die Transportbedingungen der Tiere verbessert würden. Sie weisen jedoch auch auf Alternativen zu Lebendtiertransporten hin. So könne in einigen Fällen die Lösung darin bestehen, die Tiere näher an der Produktionsstätte zu schlachten, denn die Nutzung lokaler Schlachthöfe und mobiler Schlachtanlagen würde manche Tiertransporte überflüssig machen und sei außerdem umweltfreundlicher.
Auch die Verbraucher könnten eine wichtige Rolle dabei spielen, Veränderungen voranzubringen: Einer Umfrage zufolge ist ein Teil der Verbraucher bereit, einen höheren Preis zu zahlen, wenn sie wissen, dass das Fleisch unter guten Tierschutzbedingungen erzeugt wurde. Die Prüfer weisen darauf hin, dass die Verbraucher besser informiert werden sollten, um ihnen dabei zu helfen, fundierte Kaufentscheidungen zu treffen. Dies könne durch ein EU-weites System für die Tierwohlkennzeichnung umgesetzt werden, das für mehr Transparenz und Harmonisierung bei der Kennzeichnung von Fleisch innerhalb der EU sorgen würde.
Schließlich könne auch die Überarbeitung der EUVorschriften eine Gelegenheit für strukturelle Veränderungen hin zu einer nachhaltigeren Lebensmittelversorgung bieten. Dazu müssten Anreize geschaffen werden, um Hersteller und Verbraucher zu nachhaltigem Verhalten zu bewegen. Die politischen Entscheidungsträger der EU könnten in Erwägung ziehen, das Tierleiden in die Transportkosten einzupreisen und bei den Fleischpreisen zu berücksichtigen.
Die Datenlage zu Lebendtiertransporten in der EU sei fragmentiert, und die Europäische Kommission habe keinen vollen und zentralen Überblick. Nach Ansicht der Prüfer könnte das Potenzial von IT und technologischen Verbesserungen in diesem Bereich stärker genutzt werden. So könnte ein IT-System auf EUEbene zur Nachverfolgung sämtlicher Lebendtiertransporte bei der Zentralisierung der Daten helfen, und mit Kameras und Sensoren könnten Tiertransporte überwacht und das Tierwohl gemessen werden
Die Analyse 03/2023 "Lebendtiertransporte in der EU: Herausforderungen und Chancen" ist auf der Website des Europäischen Rechnungshofs abrufbar.
17. Abril 2023/ Rechnungshof / Europäische Union.
https://www.eca.europa.eu/