Zehn Konsortien um Kommunen und Landkreise haben am 26.01.2021 durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur eine Förderung von insgesamt mehr als 38 Millionen Euro für die Entwicklung und Einführung innovativer 5G-Anwendungen in den Bereichen Mobilität, Industrie 4.0, Agrarwirtschaft, Smart City und E-Health erhalten. Rund vier Millionen Euro gehen in den Landkreis Vechta: Antragsteller für das Projekt „5G Nachhaltige Agrarwirtschaft“ waren die Wissenschaftliche Koordinierungsstelle Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar), welche an der Universität Vechta angesiedelt ist, und das Amt für Wirtschaftsförderung des Landkreises.
Bei „5G Nachhaltige Agrarwirtschaft“ sollen in den kommenden zwei Jahren mithilfe der neuesten Mobilfunktechnologie 5G und Künstlicher Intelligenz (KI) unter anderem mehr Tierwohl in den Ställen von Schweinen und Geflügel ermöglicht werden. Auch beim nachhaltigen Umgang mit dem Anfall von Gülle und Trockenmist soll das Projekt – das von einem breit aufgestellten Konsortium getragen wird – zukunftsweisend unterstützen. Somit wird die Region mit seiner intensiven Nutztierhaltung zu einem „Reallabor“.
Hinter dem Konsortium steht ein starker Verbund aus Wissenschaftlern, Verbänden und Unternehmern aus der Agrar- und Ernährungswirtschaft: Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Osnabrück, die Georg-August-Universität Göttingen, die Universität und die Hochschule Osnabrück, Big Dutchman International GmbH, Böseler Goldschmaus GmbH & Co. KG, Brand Qualitätsfleisch GmbH & Co. KG, die BWE-Brüterei Weser-Ems GmbH & Co. KG, Josef Kotte Landtechnik GmbH & Co. KG, die VetVise GmbH, das Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland e.V., die Erzeugergemeinschaft Qualitätsvieh im Oldenburger Münsterland, der Kreislandvolkverband Vechta und die Naturdünger-Verwertungs GmbH. „Der große Kreis an Kooperationspartnern zeigt, wie das Projekt mit den unterschiedlichsten Kompetenzen aus Wissenschaft und Praxis zu einer echten Ideenwerkstatt für die Landwirtschaft 4.0 wird“, zeigt sich Landrat Herbert Winkel überzeugt.
„Wir freuen uns sehr, dass unsere Idee in Berlin Anklang findet und im Reallabor des Oldenburger Münsterlandes mit so kompetenten und vielfältigen Akteuren des Verbundes tatsächlich umgesetzt werden kann“, sagte Dr.in Barbara Grabkowsky, Geschäftsführerin von der trafo:agrar. „Das Projekt wird wichtige Impulse zur nachhaltigkeitsorientierten Transformation der Nutztierhaltung im In- und Ausland aufzeigen.“
„Die Resonanz auf unseren 5G-Innovationswettbewerb ist überragend – und, wie sich jetzt gezeigt hat, sind die Ergebnisse das auch“, sagt Bundesminister Andreas Scheuer. „Quer durch Deutschland fördern wir von heute an Projekte, die echte Pionierarbeit auf ganz unterschiedlichen Gebieten leisten. Die Entwicklung zeigt: Wir können Deutschland international zum Vorreiter bei 5G machen.“
„Wir freuen uns, dass der Landkreis Vechta bei der Erprobung von 5G-Anwendungen zur Pioniergruppe in Deutschland gehört. Wir wollen mit unseren Kooperationspartnern die Möglichkeiten neuester Mobilfunktechnologie für eine nachhaltigere und transparentere Landwirtschaft nutzen – zum Wohle von Tier und Umwelt“, so Landrat Herbert Winkel. Geplant ist ein Reallabor, indem die Wertschöpfungsketten von Geflügel und Schwein abgebildet werden. Dabei kommen 5G und KI sowohl bei der Überwachung der Tiergesundheit als auch beim Nährstoffmanagement zum Einsatz. „Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sind die Grundbausteine, um Wertschöpfungsketten in zukunftsfähige Agrarsysteme umzuwandeln“, erklärt Dr.in Barbara Grabkowsky.
So wird beispielsweise die Georg-August-Universität Göttingen gemeinsam mit dem DFKI und den Unternehmen Big Dutchman International GmbH und VetVise GmbH daran arbeiten, tier- , stall- und betriebsbezogene Daten zusammenzufassen und daraus mittels KI spezielle Algorithmen zu entwickeln, die Tiergesundheit und Tierwohl so überwachen, dass Krankheiten frühzeitig erkannt werden oder gar nicht erst auftreten.
Die Daten werden dann den Landwirt*innen in Echtzeit angezeigt. Sie geben den Betriebsleitern Hinweise über die Gesundheit seiner Tiere, beispielweise bei auffälligen Bewegungsprofilen, die auf Störungen der Stallumgebung schließen lassen, woraufhin Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können.
Tandems aus Wissenschaft und Praxis sollen in den Bereichen Geflügel (BWE-Brüterei Weser-Ems GmbH & Co. KG und Hochschule Osnabrück) und Schwein (Böseler Goldschmaus GmbH & Co. KG, Brand Qualitätsfleisch GmbH & Co. KG, Georg-AugustUniversität Göttingen) diese KI-Entwicklungen dann beim Praxiseinsatz in den Ställen prüfen und bewerten.
Aus Sicht von Prof.in Dr.in Imke Traulsen von der Abteilung „Systeme der Nutztierhaltung“ an der Agrarwissenschaftlichen Fakultät liegt darin eine Chance für mehr Tierwohl: „Das Projekt trägt mit seiner Vernetzung von Daten der unterschiedlichen Akteure entlang der Produktionskette als Basis zur Früherkennung von Schwachstellen und für Entscheidungshilfen wesentlich zu einer zukunftsorientierten Nutztierhaltung bei“. Wo Daten in großem Umfang gesammelt werden, stellt sich gleichzeitig die Frage des Datenschutzes und der Datensicherheit. Auch für diesen Bereich findet sich im Projektnetzwerk die passende Expertise, und zwar mit Prof. Dr. Bernd J. Hartmann und Prof. Dr. Hans Schulte-Nölke vom Fachbereich Rechtswissenschaften an der Universität Osnabrück: „Der boomende Bereich der Digitalwirtschaft funktioniert nicht ohne Datensicherheit und Datenschutz. Wir freuen uns darauf, für eine nachhaltige Agrarwirtschaft den Einsatz neuester Mobilfunktechnologie zu begleiten." Mit ihrer Expertise im Geflügelbereich arbeiten Prof. Dr. Robby Andersson und Dr.in Kathrin Toppel von der Hochschule Osnabrück im Projekt mit, genauso wie Prof. Dr. Guido Recke, der die wirtschaftliche Betrachtung des Einsatzes der KI-Entwicklungen in den Ställen genauer unter die Lupe nimmt und die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Potentiale bei den Wertschöpfungsketten Geflügel und Schwein untersucht. Das Team von Prof. Dr. Joachim Hertzberg vom DFKI wird mit ihrer Expertise bei der Entwicklung der Systemarchitektur sowie der Schnittstellen, die zur Datenerhebung und zum Datenmanagement notwendig sind, unterstützen. Im Konzeptantrag verwiesen die Autoren auf die Chancen von 5G für die Lebensmittelherstellung der Zukunft: „Durch die Digitalisierung und Vernetzung aller Daten vom Elterntier bis zur Mast, vom Futtermittel bis zum Güllefass kann das gesamte Produktionssystem kontinuierlich intelligent und nachhaltig optimiert werden.“ Uwe Bartels, Vorsitzender des Agrar- und Ernährungsforums e.V., sieht in diesem Projekt eine große Chance für die komplette Wertschöpfungskette der Agrar- und Ernährungswirtschaft. In einer Zeit, in der der gesellschaftliche und politische Druck auf die Erzeugung von Nahrungsmitteln aus Tierhaltung und Acker enorm hoch sei, eröffne der Einsatz digitaler Technik neue Möglichkeiten zur Bewältigung dieser Herausforderungen. „Der Einsatz von 5G ermöglicht für die Nutztierhaltung, den Ackerbau und die Lebensmittelproduktion ein nachhaltiges Wirtshaften.“, so Uwe Bartels. 5G-Anwendungen stellen einen Meilenstein für die Transformation der Agrar- und Ernährungswirtschaft dar. Neben mehr Tiergesundheit und besserem Nährstoffmanagement kann 5G für die Verbraucher „geschützte Transparenz vom Hof bis auf den Tisch schaffen“. In dem ganzheitlichen Ansatz des Vorhabens „5G Nachhaltige Agrarsysteme“ sieht Dr. Henning Müller, Technischer Leiter der Josef Kotte Landtechnik GmbH & Co. KG, eine große Chance für die Region. „Das Thema Nährstoffmanagement ist nicht nur in unserer Region von großer Bedeutung. 5G kann helfen die Bestimmung der Nährstoffe in flüssigen Wirtschaftsdüngern auf dem Feld deutlich zu verbessern. Darüber hinaus liefert der neue Mobilfunkstandard eine Basis für die Entwicklung landtechnischer Lösungen von morgen.“ Kaum eine Region sei für dieses Forschungsprojekt besser geeignet als der Landkreis Vechta, dessen starker landwirtschaftlicher Sektor sich mitten im Transformationsprozess befinde. „Wir unterstützen das Projekt 5G Nachhaltige Agrarwirtschaft, da es ideal zum Handeln der Goldschmaus Gruppe passt, Informationen über die Stufen der Wertschöpfungskette hinweg auszutauschen und damit Verfahren zu optimieren“ sagt auch Josef Hempen von der Böseler Goldschmaus GmbH & Co. KG. „Die weitere Digitalisierung der Wertschöpfungsketten bietet große Chancen. Als Unternehmen der Fleischindustrie sind wir auf Weiterentwicklungen in diesem Bereich angewiesen. Ich bin stolz, dass wir als Partner Teil dieses großen Projektes sind. Wir wollen die Forschung in diesem Bereich weiter unterstützen und wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass insbesondere diese Region ihre Vorreiterrolle behält. Wir freuen uns auf die kommende spannende Zusammenarbeit“ so Niko Brand von der Brand Qualitätsfleisch GmbH & Co. KG. Felix Wesjohann, Geschäftsführer BWE-Brüterei Weser-Ems GmbH & Co. KG zeigt sich „erfreut dieses innovative Projekt als Partner aus dem Agrarbereich zu begleiten, um digitales Smartfarming in unserer ländlichen Region weiter zu entwickeln. Der Mensch bleibt in der Tierbetreuung das A und O, aber Dank neuer, modernster Technologien und Einsatz von KI erhoffen wir uns weitere Fortschritte in der Steigerung von Tierwohlindikatoren. Dies ist ein Schwerpunkt, den wir uns seit mehreren Jahren in der PHW-Gruppe gesetzt haben." Auch Dr. Alexander Stärk von der Big Dutchman International GmbH sieht in den Anwendungen mit der 5G-Technologie neue Ansätze: „Dieses Projekt ermöglicht uns frühzeitig Möglichkeiten der neuen 5G-Technologie in praxisreife Lösungen umzusetzen, sodass wir mit den innovativen Ergebnissen auch weit über die Region hinaus neue Maßstäbe bei der Digitalisierung von Tierställen setzen können.“ 5G als Zukunftstechnologie ist unabdingbar, erklärt Johannes Schmidt-Mosig von der VetVise GmbH, denn „eine tierwohlorientierte und wettbewerbsfähige Landwirtschaft ist ohne Digitalisierung und den Einsatz neuer Technologien wie der 5GFunktechnik in Zukunft nicht vorstellbar. Gemeinsam mit der Landwirtschaft entwickeln wir jetzt die Technologie der Zukunft!“
Januar 2021 - Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen