Neben der Kastration werden bei Saugferkeln in der 1. Lebenswoche weitere Zootechniken wie das Einziehen der Ohrmarke und das Schwänzekupieren durchgeführt, was in der Europäischen Union (EU) laut Richtlinie 2008/120/EG innerhalb der 1. Lebenswoche ohne Betäubung und Schmerzausschaltung erlaubt ist. Zahlreiche Studien bestätigen die Schmerzhaftigkeit der Kastration nicht nur beim männlichen Schwein sondern auch bei anderen Tierarten. Dies steht genauso außer Frage wie die Schmerzhaftigkeit des Einziehens von Ohrmarken und Schwänzekupieren. Laut aktueller Fassung des deutschen Tierschutzgesetzes wird die chirurgische Kastration ohne Schmerzausschaltung mit einer Übergangsfrist bis 01. Januar 2019 verboten. QS-Betriebe nutzen bereits seit 2009 die präoperative Gabe eines nichtsteroidalen Antiphlogistikums (NSAID) wie etwa Meloxicam.
Zusätzlich zu den genannten Eingriffen ist aufgrund geringer Eisenreserven, dem niedrigen Eisengehalt der Sauenmilch und dem hohen Bedarf der Ferkel wie auch der fehlenden Möglichkeit, Eisen aus der Umwelt aufzunehmen, eine prophylaktische Eisenergänzung nötig. Diese Injektion ist ein weiterer Stressfaktor für die Ferkel.
Studie der LMU München
Wie groß sind nun die Belastung und der schmerzbedingte Stress von Kastration, Schwanzkupieren und des Einziehens von Ohrmarken bei Saugferkeln sowie der Eiseninjektion, und wie wirkt die präoperative Verabreichung von Meloxicam? Dies wollte die Wissenschaftlerin Dr. Nicole Übel von der LMU München im Rahmen einer Studie wissen (Tierärztliche Praxis Großtier 6, 2015). Der Versuch wurde in einem geschlossenen Betrieb mit 120 Zuchtsauen durchgeführt, der in einem 3-wöchigen Produktionsrhythmus mit 28-tägiger Säugezeit arbeitet. In die Studie gingen 368 männliche Saugferkel im Alter von 3 bis 4 Tagen ein, die von klinisch unauffälligen Sauen stammten.
Um die zeitgleiche ortsgetrennte Anwendung von Meloxicam und Eisen zu testen, erhielten einige Tiere am Versuchstag 30 Minuten vor den Eingriffen eine intramuskuläre Injektion (2 ml) von 200 mg Eisendextran in die rechte Halsseite. Anderen Ferkeln wurde zusätzlich Meloxicam (Metacam®) intramuskulär in die linke Halsseite appliziert. Zur Beurteilung von schmerzbedingtem Stress dienten die Kortisol- und Katecholaminkonzentrationen in Serum bzw. Plasma sowie Verhaltensbeobachtungen. Verträglichkeit und Wirksamkeit einer zeitgleichen ortsgetrennten Anwendung wurden durch äußere Betrachtung, Abtastung sowie Vergleiche der Kortisol- und Eisenkonzentration der anderen Gruppen evaluiert und die Tageszunahmen aller Ferkel erhoben.
Meloxicam-Gruppe zeigte weniger Schmerzanzeichen
Wie erwartet zeigten die Ferkel, welche Meloxicam vor den Eingriffen erhielten, weniger Schmerzanzeichen als die Kontrollgruppe. Während die Kortisolkonzentration im Serum bei den Tieren der unbehandelten Tiere nach den drei zootechnischen Maßnahmen bis zur 4. Stunde danach signifikant anstieg, sank bei den Tieren, denen Meloxicam appliziert wurde, die Kortisolkonzentration eine halbe Stunde nach Kastration und bis 4 Stunden nach allen drei zootechnischen Eingriffen signifikant ab. Die Eisenkonzentrationen aller Tiere aus den Versuchsgruppen erreichten 4 Stunden nach der Applikation Maximalwerte im Blutserum und unterschieden sich bis 3 Wochen nach Applikation nicht signifikant. 50 % der Tiere der Gruppe, die Meloxicam und Eisen zeitgleich ortsgetrennt erhielten, zeigten 4 Stunden bis 4 Tage nach der Medikamentenapplikation an der Injektionsstelle des Eisenpräparats geringgradige Schwellungen des Gewebes und Rötung.
Fazit
Die Studie belegt, dass die zeitgleiche Durchführung der zootechnischen Eingriffe Kastration, Schwanzkupieren und Kennzeichnung mittels Ohrmarke zu einer vermehrten Belastung der Saugferkel führt. Die Gabe von Meloxicam reduziert diese Schmerzreaktion in gleichem Maße wie bei alleiniger Kastration. Die Wissenschaftlerin empfiehlt daher, zootechnische Maßnahmen am Ferkel mit einem Schmerzmittel zu begleiten. Die zeitgleiche ortsgetrennte Gabe von Eisen und Meloxicam beeinträchtigt die Wirksamkeit beider Substanzen nicht.
Weitere Informationen: http://schweinekrankheiten.de/
14. März 2016 - Boehringer Ingelheim