Klinischer Fall: Multifaktorielle Atemwegserkrankungen bei Ferkeln und Mastschweine

Sara Crespo Vicente
27-Mrz-2017 (vor 7 Jahre 7 Monate 6 Tage)

Beschreibung des Betriebs

Es handelt sich hier um einen Betrieb mit 1700 Sauen, der Remontetiere aus externen Betrieben aufnimmt. Die Jungsauen werden 60 Tage vor ihrer Deckung akklimatisiert. Sie wurden zweimal mit einem modifizierten Lebendimpfstoff gegen PRRS geimpft und später mittels ELISA PRRS-positiv und mittels PCR PRRS-negativ getestet. Die Remontierungsrate beträgt 50%.

Der Betrieb gilt als PRRS-positiv stabil. Der Impfplan für die Sauen beinhaltet alle vier Monate eine Impfung aller Tiere mit einem modifizierten PRRS-Lebendimpfstoff und eine Impfung gegen die Aujeszkysche Krankheit. Die Zuchttiere werden in jedem Zuchtzyklus gegen E. coli, das Parvovirus und Erysipel geimpft.

Der Betrieb ist alt, wurde aber immer wieder modernisiert, um eine bessere Kontrolle der Tiere und ein besseres Betriebsmanagement zu ermöglichen. Die Sauen erhalten Mehlfutter und das Sperma wird extern gekauft.

Die Ferkel werden im Alter von 21 Tagen gegen das Circovirus und Mykoplasma geimpft. Das durchschnittliche Absetzalter liegt bei 23 Tagen und das durchschnittliche Absetzgewicht bei 6,5 kg.

 

Ausbruch der Krankheit

Einige Absetzferkel im Aufzuchtstall begannen mit Symptomen von Atemnot und ständigem Husten. Die Anzahl der Kümmerer stieg fast bis auf alarmierende 6% an, mit Mortalitätsraten über 4%. Es gab keine Reaktion auf die Verabreichung von Medikamenten über das Futter (300 ppm Amoxicillin und 80 ppm Florfenicol).

Die respiratorischen klinischen Symptome verschlimmerten sich, als die Tiere in die Mast-/Endmastställe kamen (4% Mortalität). Einige Tiere zeigten Kachexie und Ohrrandnekrose. Einige von ihnen nahmen sogar die Hundesitz-Haltung ein und zwischen 16 und 20% der Tiere litten an starker Atemnot und Appetitlosigkeit.

 

<p>Abbildung 1: Brusth&ouml;hle - L&auml;sionen bei einem Ferkel: Perikard&ouml;dem, multifokale pulmonale L&auml;sionen und Septik&auml;mie mit respiratorischen und digestiven Symptomen</p>

<p>Abbildung 2: L&auml;sionen bei einem Mastschwein: Ohrrandnekrose und Pneumonie in den kranialen und medialen Lungenlappen</p>

Zum Erhalt einer Differentialdiagnose sind die Läsionen und klinischen Symptome zu berücksichtigen.

Ebenso wie die Identifizierung potentieller Krankheitserreger war die Analyse der verschiedenen Umwelt- und Managementfaktoren und deren Einfluss auf Atemwegserkrankungen ein entscheidender Schritt zur Bestimmung der klinischen Probleme des Betriebs.

Die Läsionen, die bei der Sektion festgestellt wurden, ließen uns vermuten, dass der Betrieb vom Porcinen Respiratorischen Krankheitskomplex (PRDC) befallen war.

 

Porciner Respiratorischer Krankheitskomplex (PRDC)

Der Porcine Respiratorische Krankheitskomplex (PRDC) ist eine multifaktorielle Erkrankung, bei der die Wechselwirkung zwischen Wirt und Infektionserregern mit bestimmten Umweltfaktoren verbunden ist.  

Die am PRDC beteiligten Infektionserreger lassen sich folgendermaßen klassifizieren:

Primär pathogene Krankheitserreger:    PRRS, Influenza, PCV-2, Aujeszky und Mycoplasma hyopneumoniae

Sekundär pathogene Krankheitserreger:  Streptococcus suis, Actinobacillus suis, Actinobacillus pleuropneumoniae, Pasteurella multocida und Bordetella bronchiseptica. Mycoplasma hyopneumoniae kann ebenso als sekundär pathogener Krankheitserreger agieren.

Die Umwelt- und Managementfaktoren, die eine Wirkung auf den respiratorischen Krankheitskomplex haben könnten, sind in Tabelle 1 aufgelistet.

 

Tabelle 1: Die Rolle von Umwelt- und Managementfaktoren bei Atemwegserkrankungen

Faktor Optimalwert Wirkung
Temperatur 25-40 kg LW ⇒ 18-22 ºC
40-100 kg LW ⇒ 15-22 ºC
Übermäßige und unzureichende Werte beeinträchtigen die durchschnittliche Gewichtszunahme pro Tag und die Futterverwertung und prädisponieren die Tiere für das Auftreten pathologischer Bedingungen.
Lüftung <0,2 m/s Übermäßige Belüftung könnte die Tiere für pathologische Bedingungen anfällig machen.
Schweinebesatzdichte 20-30 kg ⇒ 0,3 m2
30-50 ⇒ 0,4 m2
50-85 ⇒ 0,55 m2
85-110 ⇒ 0,65 m2
Gesetzliche Mindestwerte.  Bessere Bedingungen führen zu einer besseren Leistung. 
Gruppengröße <20 Tiere/Pferch  
Futtertröge   Gute Regulierung beim Zugang (keine Überfütterung). Leeren Sie sie mindestens zweimal pro Woche, um das Ansammeln von Futterresten zu vermeiden.
Ausrichtung des Stalls Ost-West Erzielung der besten Umweltbedingungen im Sommer und Winter
Isolierung   Eine ordnungsgemäße Isolierung verbessert die Leistung und trägt dazu bei, Erkrankungen vorzubeugen.
Güllegrube    In einigen Fällen ist es sinnvoll, etwas Wasser hinzuzugeben, um das Eintrocknen zu vermeiden.
Wasserleitungen   Reinigung mit organischen Säuren, um die Biofilmbildung in Verbindung mit den im Trinkwasser verabreichten Medikamenten zu vermeiden.
 
Umweltschadstoffe  NH3 ⇒ <20 ppm
CO2 ⇒ <3000 ppm
CO ⇒ <10 ppm
H2S ⇒ <0,5 ppm
Die Wirkung dieser Schadstoffe zusammen mit Staub erhöht die Anfälligkeit für Atemwegserkrankungen.

 

Untersuchungsprotokoll 

Nach Auswertung der klinischen Symptome und Läsionen wurde ein umfassender Ansatz verfolgt um herauszufinden, welche Stoffe eine größere Rolle bei der Krankheitsentstehung spielten.

Zur Bestimmung der beteiligten Stoffe wurden die folgenden Laboruntersuchungen durchgeführt:

Serologische Untersuchung

  1. Ferkel bei der Geburt vor der Kolostrumaufnahme zur Beurteilung der Zirkulation von PRRSv während der Tragzeit: 10 Proben
    > 21 Tage alte Kümmerer zur Beurteilung der Rezirkulation von PRRSv im Abferkelstall: 10 Proben
    6 und 9 im Wochen alte Absetzferkel zur Untersuchung der Dynamik der Krankheit im Aufzuchtstall: 10 Serumproben pro Altersklasse 

Mikrobiologische Untersuchungen, Mikroorganismenkulturen und Sensitivitätstests und histologische Untersuchungen:

  1. Einsendung von Lungenproben an das Labor: alle 2 oder 3 Wochen 10 - 12 Lungen 

 

Ergebnisse

PRRS-Serologie

Bei den serologischen Untersuchungen waren Ferkel bei der Geburt (vor Aufnahme der Kolostralmilch) PCR-negativ, aber Proben von 21 Tage alten Kümmerern im Abferkelstall waren zu 100% PCR-positiv. Das PCR-Ergebnis war bei 6 und 9 Wochen alten Tieren ebenso positiv. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass es eine Infektion im Abferkelstall gibt und das Virus im Aufzuchtstall erneut zirkuliert. Die Betriebe zeigen jedoch keinerlei reproduktive klinische Symptome.

Mikrobiologische Untersuchung

Aus einer Kultur mit Lungengewebe wurde nur ein opportunistischer Erreger isoliert (Aerococcus viridans), der nicht zum Krankheitsbild passte. Der Grund hierfür könnte darin bestehen, dass die Proben von medizinisch behandelten Tieren stammten, da den Tieren beim Entstehen einer klinischen Erkrankung über das Futter immer Medikamente verabreicht werden, bis man die antimikrobiellen Ergebnisse erhält.

 

Behandlung

Nach einer Überprüfung der Abläufe im Betrieb kamen wir zu dem Schluss, dass das Rein-Raus-Verfahren (AI-AO) nicht eingehalten wurde und Kümmerer und Tiere mit einem niedrigen Gewicht über 35 Tage im Abferkelstall gehalten wurden, da sie nicht das Verkaufsgewicht von 6,5 kg erreicht hatten. In dem Versuch, dieses Problem zu korrigieren, wurden die Ferkel entsprechend ihrer Geburtswoche mit verschiedenen Farben gekennzeichnet, was die Kontrolle viel einfacher macht und wodurch der strikte Durchlauf des Rein-Raus-Verfahrens besser umgesetzt werden konnte.<p>Abbildung 3: K&uuml;mmerer verschiedenen Alters in der Abferkelbucht: entsprechend der Geburtswoche markierte Ferkel</p>

Abgesehen von der Überprüfung des Ferkelmanagements im Abferkelstall wurden im Betrieb Impfungen aller Tiere mit einem modifizierten PRRS-Lebendimpfstoff durchgeführt. Die Protokolle zur Biosicherheit wurden überprüft und die Kontrollen beim Transport, den Besuchern, Veterinärmedizinern, dem Stallpersonal etc. erhöht.

Nachdem all diese Protokolle eingeführt worden waren, blieben jedoch die Probleme im Aufzucht- und den Mast-/Endmastställen bestehen. Da die Reaktion auf Antibiotika immer noch sehr schlecht war, fiel der Hauptverdacht auf einige andere virale Prozesse in Verbindung mit PRRS.

Im Sauenbetrieb gab es, wie auch die ganze Zeit zuvor, keine Erkrankungen. Die Maßnahmen, die bisher ergriffen wurden (PRRS-Impfung, verbesserte Biosicherheit) reichten nicht aus, um das Problem zu lösen. Deshalb wurde eine zweite Studie über die Risiko- und prädisponierenden Faktoren durchgeführt.

Zweites Untersuchungsprotokoll

  1. Die Reinigungsverfahren wurden verstärkt. Reinigungs- und Desinfektionsprotokolle wurden geändert. 

  2. Im Aufzuchtstall wurde ein strikter Durchlauf im Rein-Raus-Verfahren eingeführt und überwacht, wodurch man versuchte, das PRRS-Virus zu verdrängen.

  3. In den Mastställen wurden Systeme zur lokalen Heizung und Vollraumheizung eingesetzt. Ziel war es, Temperaturschwankungen und Temperaturen unter 24 Grad zu vermeiden. 

    Nach Umsetzung dieser Maßnahmen wurden die Tiere, die den Abferkel- und Aufzuchtstall durchliefen, mittels PCR PRRS-negativ getestet. Allerdings gab es im Aufzuchtstall immer noch 4% Kümmerer (bei anfänglich 6%).

    Die Atemwegserkrankungen bestanden zu Beginn der Mastphase fort, aber die Reaktion auf Antibiotika war gut. Dennoch gab es große Gewichtsabweichungen. Die starken Temperaturschwankungen könnten ein Stressfaktor sein und einen multifaktoriellen Prozess auslösen. Ziel war es, mehr Proben zu entnehmen, um sich zu vergewissern, dass es keine Krankheitserreger, wie beispielsweise Influenza, mehr gab, die die Rolle der primär pathogenen Krankheitserreger übernehmen und sekundäre bakterielle Infektionen auslösen, die zu der chronischen Atemwegserkrankung führen könnten, die bisher im Betrieb aufgetreten war.

Tabelle 2: Influenza PCR-Test - orale Flüssigkeiten

  Hämagglutinin Neuraminidase
Probe H1 H3 N1 N2
y/n + - + -

Proben wurden positiv auf den H1N1-Serotyp getestet.

 

Behandlung

Der gesamte Zuchtbestand wurde zweimal gegen Influenza geimpft, was Teil des Sauenimpfplans für jeden Zyklus war. Im Sauenbetrieb und dem Aufzuchtstall wurde nun das Rein-Raus-Verfahren der Ferkel strikt umgesetzt. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass die passive Immunität, die von den Sauen auf die Ferkel übertragen wird, die Rezirkulation des Virus deutlich reduziert, wodurch die Übertragungsrate rückläufig werden würde.

Die kontinuierliche Stallbelegung, die deutliche Altersunterschiede beinhaltet, stellt bezüglich Atemwegserkrankungen immer eine große Herausforderung dar.

Als später bei einem adäquaten Durchlauf von Tieren Ferkel von geimpften Sauen aufgenommen wurden, wurde das Problem möglicherweise bei den Ferkeln und Mastschweinen behoben. Die Kosten für die Verabreichung von Medikamenten wurde am Standort II und III deutlich reduziert und die Mortalitätsraten wurden bei Ferkeln auf weniger als 2,5% und bei Mastschweinen auf 2% gesenkt. Durch die Bekämpfung von Influenza waren sekundäre Krankheitserreger immer weniger in der Lage, starke Lungenschädigungen zu verursachen. 

Deshalb muss bei einer bevorstehenden Erkrankung die gesamte Erkrankungspyramide überprüft werden, bis der Krankheitserreger, der beim Ausbruch und der Entwicklung des Infektionsprozesses eine primäre Rolle spielt, identifiziert ist. Wir fanden heraus, dass schlechte Umgebungsbedingungen in Verbindung mit den Krankheitserregern die Schwere der Erkrankung verstärken.

 

Schlussfolgerungen